Das Glücksspiel um viele Euros im Fokus des EU-Rechts |
Mit Urteil vom heutigen 04.02.2016 (Az. C-336/14 – „Sebat Ince“) hat der EuGH festgestellt, „dass das Unionsrecht der Ahndung einer ohne Erlaubnis erfolgten grenzüberschreitenden Vermittlung von Sportwetten in Deutschland entgegenstehen kann“.
Damit hat sich der deutsche Gesetzgeber mit seinem faktisch fortdauernden Staatsmonopol für Glücksspiele wieder einmal spielend blamiert. 2006 war bereits der Lotteriestaatsvertrag vom Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 28.03.2006 (Az. 1 BvR 1054/01) - und 2010 war der Glücksspielstaaatsvertrag vom EuGH mit Urteil vom 08.09.2010 (Az. C-409/06) in erheblichen Teilen für rechtswidrig erklärt worden.
Anklage gegen Sportsbar in Bayern
Bayerische Behörden warfen Frau Ince vor, für einen österreichische Wettveranstalter (mit gültiger Lizenz
in Österreich und nicht in Deutschland) über einen in einer „Sportsbar“ in
Bayern aufgestellten Wettautomaten Sportwetten ohne die erforderliche
behördliche Erlaubnis zu vermitteln. Es wurde Anklage vor dem Amtsgericht
Sonthofen erhoben, das dann allerdings die Sache dem EuGH vorlegte, da das
Amtsgericht daran zweifelte, ob der Glücksspielstaatsvertrag und das mit einer sogenannten
„Experimentierklausel“ ausgestattete Erlaubnisverfahren für Sportwetten mit dem
EU-Recht vereinbar ist.
Steil-Vorlage zum EuGH
In der EuGH-Rechtssache ging es sowohl um die bis zum
30.06.2012 „geltenden“ Monopol-Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags vom
01.01.2008, nach dem die Veranstaltung und die Vermittlung von Sportwetten ohne
Erlaubnis verboten und die Erteilung von Erlaubnissen an private
Wirtschaftsteilnehmer ausgeschlossen wurde.
Darüber hinaus ging es nun aber
auch um den ab dem 01.07.2012 „gültigen“ Glücksspieländerungsstaatsvertrag, der eine sogenannte „Experimentierklausel“
enthält, nach der private Wirtschaftsteilnehmer während eines Zeitraums von
sieben Jahren ab seinem Inkrafttreten eine Konzession für die Veranstaltung von
Sportwetten erhalten können. Wenn diese Konzession einmal einem
Glücksspiel-Veranstalter erteilt ist, können Vermittler eine Erlaubnis erhalten,
für diesen Veranstalter Wetten anzunehmen. Für die im Glücksspiel bereits
aktiven staatlichen Veranstalter und deren Vermittler sollte die
Konzessionspflicht erst ein Jahr nach Erteilung der ersten Konzession gelten.
Faktisch kam es zu keiner wirksam werdenden Erlaubnis für irgendeinen „privaten
Wirtschaftsteilnehmer“; das staatliche Monopol bestand also insofern
konzessionsrechtlich faktisch weiter.
Und so ging das (Glücks-)Spiel(Monopol) vor dem EuGH aus
Hinsichtlich des bis Mitte 2012 „geltenden“ Glücksspielstaatsvertrags
stellt der EuGH klar, dass die deutschen Strafverfolgungsbehörden bei einem ja
bereits von den deutschen Gerichten als unionsrechtswidrig bewerteten
staatlichen Monopol wegen der zu beachtenden Dienstleistungsfreiheit nicht befugt sind, die ohne Konzession stattfindende
Vermittlung von Sportwetten durch einen privaten Wirtschaftsteilnehmer an einen
anderen privaten Wirtschaftsteilnehmer, der über keine Lizenz bzw. Erlaubnis
für die Veranstaltung von Sportwetten in Deutschland besitzt, sondern nur Inhaber
einer Lizenz in einem anderen Mitgliedstaat ist, zu ahnden.
In der Pressemitteilung des EuGH heißt es dazu:
„Selbst wenn ein privater Wirtschaftsteilnehmer theoretisch eine Erlaubnis für die Veranstaltung oder die Vermittlung von Sportwetten erhalten kann, steht die Dienstleistungsfreiheit einer solchen Ahndung entgegen, soweit die Kenntnis von dem Verfahren zur Erteilung einer Erlaubnis nicht sichergestellt ist und das von den nationalen Gerichten für unionsrechtswidrig befundene staatliche Sportwettenmonopol trotz der Annahme eines solchen Verfahrens fortbesteht. Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass das fiktive Erlaubnisverfahren die Unionsrechtswidrigkeit des Staatsmonopols, wie sie von den nationalen Gerichten festgestellt wurde, nicht behoben hat.“
In Bezug auf den ab dem 01.07.2012 „geltenden“ Glücksspieländerungsstaatsvertrag urteilt der EuGH, dass es vor dem Hintergrund der Dienstleistungsfreiheit gegen EU-Recht verstößt, wenn eine ohne Erlaubnis stattfindende Vermittlung von Sportwetten in Deutschland an einen Sportwetten-Veranstalter, der in einem anderen EU-Landliedstaat eine Lizenz besitzt, zu ahnden, wenn die Erteilung einer Konzession für die Veranstaltung von Sportwetten an die Verfahrensweise im Glücksspieländerungsstaatsvertrag geknüpft wird und dadurch der Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot missachtet werden und trotz oder wegen der deutschen Gesetzesregelung und -anwendung ein staatliches Monopol auf die Veranstaltung und die Vermittlung von Sportwetten faktisch weiterhin besteht. Daran ändert nach der EuGH-Entscheidung auch die Experimentierklausel faktisch, praktisch und juristisch rein gar nichts.
Der EuGH stützt damit auch die vorausgegangenen Urteile
deutscher Verwaltungsgerichte, die das Sportwetten-Konzessionsverfahren bereits
mehrfach für unwirksam erklärt haben (vgl. Hessischer VGH, Urteil vom16.10.2015, Az. 8 B 1028/15).
Der Ball ist wieder im Feld des Gesetzgebers.