Sind das alles die üblichen Panik-Macher, renitente Nein-Sager und unverbesserliche Globalisierungsgegner, diese TTIP-Kritiker und -Phobiker?
Nein. Denn es gibt mindestens sieben Meilensteine, die auf
dem derzeitigen Weg des zwischen der EU und den USA verhandelten Freihandelsabkommens
sich als echte Stolpersteine erweisen:
1.
Demokratie Nur wenige, zumeist wirtschaftslobbynahe Handelspolitiker
bzw. deren beauftragte Beamte sitzen in über 20 Arbeitsgruppen hinter
verschlossenen Türen am Verhandlungstisch und baldowern existentielle Regeln u.
a. auch zu Arbeit und Leben, Essen und Trinken, Gesundheit und Krankheit,
Umwelt und Natur aus, ohne dass diese Normen wirklich demokratisch legitimiert
werden. Eine etwaige abschließende nationale Abstimmung zu einem festgeschnürrten
Vertragspaket ersetzt nicht wirklich transparente und funktionierende
demokratische Prozesse.
2.
Transparenz Nicht einmal unsere Parlamentarier erhalten
vollständigen und vertieften Einblick in die geheimniskrämerischen Verhandlungen
und die nebulösen Verhandlungsergebnisse. Und nicht einmal die Bundesregierung
weiß, welche wahre Substanz und belastbare Qualität die fragmentarischen Dokumente
besitzen, die derzeit im „Leseraum“ den Abgeordneten ohne Kopie- oder
Mitnahmerecht vorgelegt werden. Sicher ist nur die Unvollständigkeit der in die
feigenblättrig anmutende Lesestube verbrachten Positions-, Streit- und/oder
Entwurfs-Texte.
3. Rechtsstaat Schiedsgerichte statt öffentlicher Gerichtshöfe
mit Berufungs- oder Revisionsmöglichkeit beschneiden die Rechtsstaatlichkeit –
insbesondere auch bei Investorenklagen. Dass amerikanische Anwaltskanzleien das
entspannter sehen als europäische und deutsche Unternehmer und Rechtsanwälte,
sollte dabei nicht weniger zu denken geben.
4.
Daseinsvorsorge Verhandelte Privatisierungen von öffentlichen
Dienstleistungen der Daseinsvorsorge können nicht bedachte sowie sehr fühlbare und
einschneidende leistungsmäßige, zugangsmäßige und preismäßige Konsequenzen für
jeden Einzelnen haben (z. B. Stichwort „Wasser“).
5.
Vertrauen Die bisherige Handhabung der Verhandlungen und
der mangelhaften und oft mangelnden, fehlerhaften und widersprüchlichen
öffentlichen Information und Beteiligung hat verständlicherweise bei den
Menschen zu wenig Verständnis und wenig Vertrauen in die Verhandlungen und die
Verhandlungsergebnisse geführt. Das ist keine funktionierende Basis für derart
existentielle Regelungsbereiche.
6.
Prognosen-Schere Jubel-Studien zu prognostiziertem Wirtschaftswachstum
und Schaffung von Arbeitsplätzen stehen kritische Untersuchungen zu rationalisierungsbedingten
Job-Verlusten und der sich vergrößernden Schere zwischen Arm und Reich
gegenüber. Vor dem voreiligen Genuss vollmundiger Versprechungen ist folglich
zu warnen.
7.
Kultur und Medien Die nach alledem sich abzeichnende fehlende
Verhandlungskultur kann schließlich zudem unmittelbare oder mittelbare folgen
selbst für unsere Kultur haben; wo Geldverteilung geregelt wird, ist immer auch
stattfindende oder unterlassene Kulturförderung, Umgang mit Medien und
Medienschaffenden, Kunst- und Kulturleben berührt. Und wo „Geistiges Eigentum“
allenfalls aus Sicht und Interessenlage der Rechteverwerter behandelt und
verhandelt wird, darf man Gesichtspunkte wie Urheberpersönlichkeitsrecht, Privatkopie
und Netzfreiheit sowie Medien- und Informationsfreiheit wohl kaum gut aufgehoben wissen.