Das Landgericht Köln beschert dem Geschäftsmodell "Porno-Abmahnungen" eine verspätete Absage und den Abmahnern wenig weihnachtliche Post
Doch nicht nur eine Einbahnstraße: Die Kammern beim Landgericht Köln |
++++Update vom 21.12.2013++++
Einstweilige Verfügung des LG Hamburg
Nach einer aktuellen Pressemitteilung von Redtube hat sich inzwischen auch das Landgericht Hamburg mit den zweifelhaften Abmahnungen befasst und per einstweiliger Verfügung dem schweizer Unternehmen The Archive AG ab sofort untersagt, Abmahnschreiben an Nutzer der Internetplattform Redtube zu versenden, in denen behauptet wird, dass Nutzer das Urheberrecht von The Archive AG verletzt haben. Dies soll für alle Videos gelten, an denen die Firma The Archive AG Urheberrechte geltend macht, ist aber auch für (potentielle) andere "Trittbrettfahrer" aus der Abmahnbranche sicher keine "schöne Bescherung".
Alex Taylor, der Vizepräsident von Redtube, ist demgegenüber schon mal in vorweihnachtlicher Feier-Laune: „Diese Entscheidung ist nicht nur ein Sieg für die Nutzer von RedTube, sondern für jede Person, die Streaming-Webseiten besucht. Es ist eine klare Botschaft, dass die Ausnutzung von persönlichen Informationen und die Verletzung der Privatsphäre aus rein finanziellen Interessen nicht toleriert wird", wird er in der Frankfurter Rundschau zitiert.
Die Pressestelle des Landgerichts Köln tritt die Flucht nach vorn an und will zwei Entscheidungen (Az. 228 O 173/13 und Az. 214 O 190/13), in denen die nach § 101 Abs. 9 Urheberrechtsgesetz (UrhG) gestellten Anträge der „The Archive AG“ von den Kammern zurückgewiesen worden waren, „in den nächsten Tagen“ auf www.nrwe.de online stellen.
Bisher sind bereits über 50 Beschwerden gegen die anderslautenden
Beschlüsse eingegangen, mit denen den Providern die Auskunftserteilung
gestattet worden ist.
Das Landgericht, zumindest einige Kammern des Gerichts, halten
die in den letzten Tagen öffentlich diskutierten Bedenken z. B. hinsichtlich
der Ordnungsgemäßheit der Ermittlung der IP-Adressen nun für durchaus beachtlich.
Diese Kammern tendieren wohl dazu, an ihrer ursprünglichen Einschätzung nicht länger
festzuhalten und die Beschlüsse wegen der durch sie stattfindenden Rechtsverletzungen
der Anschlussinhaber aufzuheben. Die Frage der urheberrechtlichen Einordnung
des „Streaming“ sei zumindest juristisch umstritten und daher liege möglicherweise
keine offensichtliche Rechtsverletzung i. S. d. § 101 Abs. 9 UrhG vor.
Im Januar sind endgültige Entscheidungen über die
Beschwerden zu erwarten.
Zu den aktuellen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen
des Verdachts der Vorlage falscher eidesstattlicher Versicherungen möchte das
Landgericht nichts Näheres sagen.
In dem von einigen Kammern an die Antragstellerin der Verfahren
bzw. deren Rechtsanwalt gerichteten Scheiben heißt es u.a.:
„Ausweislich des in Bezug genommenen Gutachtens der […] vom
22. März 2013 dürfte das Programm „GLADII 1.1.3“ dabei nur den Vorgang des
sogenannten „Streamings“, also des Abspielens einer Video-Datei im Webbrowser
des Nutzers, dokumentieren. Die Kammer neigt insoweit der Auffassung zu, dass
ein bloßes „Streaming“ einer Video- Datei grundsätzlich noch keinen relevanten
rechtswidrigen Verstoß im Sinne des Urheberrechts, insbesondere keine
unerlaubte Vervielfältigung i.S.d. § 16 UrhG darstellt, wobei diese Frage
bislang noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist. Eine solche Handlung
dürfte vielmehr bei nur vorübergehender Speicherung aufgrund einer nicht
offensichtlich rechtswidrig hergestellten bzw. öffentlich zugänglich gemachten
Vorlage regelmäßig durch die Vorschrift des § 44a Nr. 2 UrhG gedeckt sein
[…].
[…] Insoweit begründen sowohl die unklare Tatsachenlage als
auch die ungeklärte Rechtsfrage bereits Zweifel an der erforderlichen
„Offensichtlichkeit“ der Rechtsverletzung.
Weiterhin ist auch die ordnungsgemäße Ermittlung der
IP-Adressen weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht. Das Gutachten
der […] vom 22. März 2013 befasst sich mit der Erfassung des von dem Gutachter
selbst initiierten Download(?)vorgangs. Dass auch Downloads von anderen
Rechnern zuverlässig erfasst würden, ergibt sich hieraus letztlich nicht.
Insoweit ist der Kammer derzeit auch nicht erkennbar, wie das eingesetzte Ermittlungsprogramm
in der Lage sein soll, die IP-Adresse des Downloaders zu erfassen, der
lediglich mit dem Server kommuniziert, auf dem das Werk hinterlegt ist. Es
bleibt mithin die Frage unbeantwortet, wie das Programm in diese zweiseitige
Verbindung eindringen kann.
Aufgrund dessen neigt die Kammer im Hinblick auf die bereits
erfolgte Auskunftserteilung dazu, Beschwerden gegen den Gestattungsbeschluss
grundsätzlich abzuhelfen und gem. § 62 Abs. 1 FamFG auszusprechen, dass der
angegriffene Beschluss weitere beteiligte Anschlussinhaber in ihren Rechten
verletzt hat.“
Das von Regensburger und Berliner Rechtsanwälten
inszenierte, vermeintliche neue Geschäftsmodell mit Porno-Streaming-Abmahnungen
scheint also auf dem richtigen Weg zu sein, nämlich auf dem besten Weg, zum
Weihnachtsmärchen des Jahres zu werden.