Samstag, 27. August 2016

Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht - Urteil des AG München


Das Alter einer Frau … im Internet

 - Falten und „Persönlichkeitsentfaltung“ einer Filmproduzentin -


Vorfahrt für die Medien- und Meinungsfreiheit beim Amtsgericht München

Prominente kämpfen mit einer kleinen Schar darauf spezialisierter, insbesondere in Berlin und Hamburg ansässiger Rechtsanwälte um ihre tatsächlich oder vermeintlich verletzten Persönlichkeitsrechte - oft bis aufs letzte Komma sowie um jedes Haar. Dies geschieht durchaus nicht selten auch aus meiner Sicht mit berechtigten Belangen und Argumenten.

Gerade die spezialisierten Pressekammern in Hamburg, Berlin und Köln überheben sich allerdings immer wieder bei der Gewichtung der Persönlichkeitsrechte auf der einen Seite und der Informations- und Meinungsfreiheit sowie der Medien- und Pressefreiheit auf der anderen Seite.

Da fällt ein zwischenzeitlich rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts München (Az. 142 C 30130/14) ins Auge.

Der umstrittene Geburtstag der Filmproduzentin


Ein Online-Lexikon veröffentlichte das Geburtsdatum einer recht bekannten und renommierten Filmproduzentin, Drehbuchautorin und Regisseurin aus München, die dagegen auf Unterlassung, auf ein gerichtliches Verbot der Veröffentlichung, klagte. Eine durchaus öffentliche Aufmerksamkeit erlangende Dissertation der Regisseurin hatte dem Betreiber des Online-Lexikons als Quelle für den Tag der Geburt gedient.

Die Klägerin sah ihr Persönlichkeitsrecht verletzt, da sie keine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens sei und die Veröffentlichung ihres Alters mit erheblichen Nachteilen für sie verbunden sei. Die Medienbranche sei eben stark von deutlich jüngeren Menschen geprägt und bei Fernsehsendern gäbe es Intendanten-Vorgaben, vornehmlich junge Regisseurinnen und Regisseure zu engagieren, um entsprechend insbesondere das junge Publikum zu erreichen.

Das Verfahren und das Urteil


Nach erfolgloser anwaltlicher Abmahnung erfolgte die ebenso erfolglose Klage der ewig jungen Drehbuchautorin und geburtstagsresistenten Regisseurin. Das Amtsgericht München hat eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin verneint und die Klage abgewiesen.

Personenbezogene Daten stellen eben auch einen Teil der sozialen Realität einer Person dar. Solange veröffentlichte Tatsachen zutreffen, ein öffentliches Informationsinteresse zur öffentlichen Meinungsbildung besteht und soweit die Folgen der Veröffentlichung für den Betroffenen oder die Betroffene nicht schwerwiegend sind, müssen nach der Einschätzung des Gerichts selbst bei Daten aus der Privatsphäre die Persönlichkeitsinteressen hinter der Meinungsfreiheit zurückstehen. 

Der zuständige Richter berücksichtigte dabei zudem, dass die Geburtstags-Information aus einer öffentlich zugänglichen Quelle stammte. Im Übrigen habe die Öffentlichkeit bezüglich der Klägerin ein berechtigtes Interesse, zu erfahren, „in welchem Alter sie welchen Film produziert hat“. Die Beeinträchtigung der Filmschaffenden wegen der Veröffentlichung ihre Geburtsjahres sei demgegenüber eher gering. Welche "Rolle" – um in der Terminologie der Filmbranche zu bleiben – der Eintrag des Geburtsdatums bei der Produktionsvergabe spielen könnte, war für das Gericht nicht wirklich nachvollziehbar, zumal schon aus den öffentlich bekannten Produktionsdaten ihrer ersten Filme sich problemlos „eine Alterseinstufung der Klägerin vornehmen“ lässt.


Resumé


Ich denke, gegen etwaige Altersdiskriminierung darf und muss sich jeder Betroffene und auch die Gesellschaft insgesamt aufstellen und wehren. Eine Veröffentlichung des Alters stellt für sich genommen aber noch keine Diskriminierung dar. Gegenteiliges anzunehmen ginge m. E. viel eher in eine diskriminierende Richtung. 

"Gesicht zeigen" und "Alter zeigen" sollte die Devise sein, um gerade im Medien- und Film-Geschäft offensiv übertriebenem Jugendwahn zu begegnen. Gleichzeitig verlangt ein fairer und für alle konstruktiver Umgang miteinander - eigentlich selbstverständlich - eine genauso offene und respektierende Haltung der "Älteren" gegenüber Jüngeren, Branchen-Neulingen und vermeintlich "Verrückten".

Mit dem Urteil des Amtsgerichts München kann und muss die altersbewusste Filmproduzentin leben, mit weniger oder mehr Falten und - auch unbeschadet der Veröffentlichung - hoffentlich hinreichender Gelegenheit zu privater und professioneller Entfaltung.