Schräger Spielverlauf im Böhmermann-Prozess vor dem LG Hamburg |
„Was jetzt kommt, das darf man nicht machen.“ So leitete Jan
Böhmermann sein Erdogan-Gedicht mit dem bezeichnenden Titel „Schmähkritik“ in
der Satire-Sendung des ZDF am 31.03.2015 ein. Im eiligen Verbotsbeschluss der hanseatischen
Pressekammer findet sich zu diesem instruktiven Kommentar-Vorspiel nichts:
Keine (schieds)richterliche Auseinandersetzung mit den zuvor vom Spielführer
aufgestellten Spielregeln. Das darf man nicht machen.
Mittlerweile liegen die schriftlichen Gründe zur
einstweiligen Verpfeifung der ersten Instanz vom Sievekingplatz in Hamburg vor:
Wohlplatzierte Worthülsen zur unzulässigen „Niveaukontrolle der Kunst“, zur verbotenen Unterscheidung zwischen „guter und schlechter Kunst“ und zur gebotenen Differenzierung zwischen „Aussagegehalt“ und „Einkleidung“.
"Das angegriffene Gedicht ist zweifelsohne Satire." ... So „geht die Kammer von Kunst aus“ und bemerkt, dass „die konkrete Präsentation … zu berücksichtigen“ ist: „Es ist fernliegend, dass der Rezipient annimmt, das Gedicht weise (insgesamt) einen Wahrheitsgehalt auf.“ Das Gericht verkennt angeblich auch nicht, dass „Meinungsfreiheit … gerade aus dem Bedürfnis der Machtkritik erwachsen“ ist.
Der „Schweinefurz“ und die Zeilen mit einem „sexuellen Bezug“ überschritten aber das von Erdogan „hinzunehmende Maß“ – auch wenn dieser als „Oberhaupt des Staates“ für polizeiliches „Schlagen von demonstrierenden Frauen“ sowie das sonstige „gewalttätige Vorgehen gegen andere Demonstranten … sowie gegen Minderheiten wie Kurden“ die „politische Verantwortung“ trägt.
Die Dreier-Abwehrkette des medienrechtlichen Schiedsgerichts
verkennt dabei nicht nur, nein, sie unterschlägt den quasi medienpolitischen
und medienpädagogischen, künstlerischen und journalistischen Ansatz von
Böhmermann, der zusammen mit seinem Sidekick Ralf Kabelka vor und während der
Präsentation des „Schmähkritik“-Gedichtes sehr deutlich und unmissverständlich Abgrenzungen
zu „Artikel 5 unseres Grundgesetzes“ vornimmt und darauf hinweist:
„Das ist Schmähkritik … Das kann bestraft werden … Das ist vielleicht etwas kompliziert - vielleicht erklären wir es an einem praktischen Beispiel … Also das Gedicht. Das was jetzt kommt, das darf man nicht machen … das würde in Deutschland verboten … Das darf man nicht machen.“
Dazu hätte man eine sportliche und faire medienrechtliche Auseinandersetzung
des Gerichts erwarten dürfen: Es geht dabei nicht einmal primär um das Spielergebnis
in dieser prozessualen Vorrunde. Es geht vielmehr um fehlenden technischen und
konditionellen Einsatz des Gerichts im Spielverlauf. Gerade die spielerische Technik des böhmermannschen Zuspiels
von trainerischen Hinweis-Pässen und seine verfassungsrechtlichen Einwürfe hätten
der unverzichtbaren schiedsrichterlichen Beachtung und Beurteilung bedurft. Fehlanzeige. Medienrechtliches Foulspiel.
Das verdient eine Rote Karte für diese Instanz, zumindest eine anwaltliche Abmahnung.