Das OLG Celle hat mit Beschluss vom
09.11.2015 (Az. 13 U 95/15) entschieden, dass ein Lehrer, der für das
Fachangebot seiner Schule im Internet wirbt, „in Ausübung eines öffentlichen
Amtes“ handelt und dass das beklagte Land deshalb für dadurch entstehende
Urheberrechtsverletzungen haftet (nach §§ 13, 15, 72, 97 Abs. 2 UrhG i. V. m. § 839 BGB und Art. 34 GG).
Damit hat das OLG das vorausgegangene Urteil des LG Hannover
vom 14.07.2015 (Az. 18 O 413/14) bestätigt und die Berufung des Landes
Niedersachsen zurückgewiesen.
Das fremde Foto auf der Schul-Homepage
Auf seinen Internetseiten warb ein niedersächsisches Gymnasium
u.a. für seine Fremdsprachen-Angebote. Der Schulleiter oder - was nicht aufgeklärt werden konnte - ein anderer Lehrer
hatte, ein vom
Kläger gefertigtes Foto in die Schul-Webseite eingestellt, um so für den an der Schule angebotenen Spanisch-Unterricht zu werben.
Der Kläger verlangte nun dafür erfolgreich Schadensersatz
vom Land Niedersachsen - nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie und unter
Berücksichtigung der Honorartabellen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing
(MFM).Die Webseiten-Gestaltung vom Beamten
Schulleiter und die Lehrerinnen und Lehrer des Gymnasiums
sind Landesbeamte im staatsrechtlichen bzw. zumindest im haftungsrechtlichen
Sinne. Das OLG stellte fest, dass „der jeweilige Beamte, der das von dem Kläger
gefertigte Lichtbild zur Bewerbung der an dem …-Gymnasium G. angebotenen
Fremdsprache Spanisch auf die Internet-Seiten dieser Schule eingestellt hat,
dabei in Ausübung seines öffentlichen Amtes gehandelt hat.“
Dies begründete das Berufungsgericht wie folgt:
„Ist die eigentliche Zielsetzung, in deren Dienst der Beamte tätig wurde, eine hoheitliche, so ist „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ nicht nur die unmittelbare Verwirklichung, sondern auch eine entferntere (vorangehende, begleitende oder nachfolgende) dienstliche Betätigung, wenn ein solcher Zusammenhang besteht, dass die vorangehende oder nachfolgende Tätigkeit ebenfalls noch als dem Bereich der hoheitlichen Betätigung zugehörend anzusehen ist (Wöstmann, a. a. O. Rn. 85 m. w. N.).“
Die hoheitliche Online-Werbung
Den haftungsrechtlich erforderlichen "engen Zusammenhang mit dem Schulbetrieb" begründet das Gericht wie folgt:
„Der hiernach erforderliche enge Bezug der Nutzung des
Lichtbildes des Klägers auf den Internet-Seiten der Schule zum Zwecke der
Werbung für deren Fremdsprachenangebot mit einer hoheitlichen Tätigkeit
besteht. Der Schulbetrieb an öffentlichen Schulen ist eine hoheitliche Aufgabe
und für Lehrer die Ausübung eines vom Staat anvertrauten öffentlichen Amtes
(Wöstmann a. a. O. Rn. 778 m. w. N.). Zwar ist nicht zu verkennen, dass die
Werbung für das Fremdsprachenangebot der Schule im vorliegenden Fall weder eine
Lehrtätigkeit als solche darstellte, die den Kernbereich des hoheitlichen
Schulbetriebs darstellt, noch vergleichbar eng mit dieser Lehrtätigkeit
verbunden war, wie beispielsweise die Zurverfügungstellung von Lehrmaterialien
oder Computerprogrammen zur Nutzung während des Studiums, die Gegenstand der
vorzitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 1992 und vom
20. Mai 2009 waren. Dennoch besteht der erforderliche enge Zusammenhang. Die
als hoheitlich einzuordnende Tätigkeit von Lehrkräften und Beamten der
Schulverwaltung geht über den eigentlichen Lehrbetrieb hinaus und umfasst den
gesamten Schulbetrieb. Die Bewerbung eines Fremdsprachenangebots stellt sowohl
formal als auch materiell Teil des Schulbetriebes dar. Sie soll einerseits die
Nachfrage nach entsprechenden Fremdsprachenkursen steigern und damit deren
Angebot ermöglichen. Als dergestalt der eigentlichen Lehrtätigkeit vorgelagerte
Handlung steht sie weiter auch in der Sache mit dieser im engen Zusammenhang,
weil sie auf die in der Lehrveranstaltung zu vermittelnden Inhalte bezogen ist.
Sie ist insbesondere nicht mit Fiskalmaßnahmen wie der Beschaffung von
Verwaltungshilfsmitteln (z. B. Schreibmaterial) vergleichbar, die nicht
Ausübung öffentlicher Gewalt sind (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 16. Januar
1992, a. a. O., Tz. 20 a. E.). Solche nicht als hoheitlich einzuordnenden
Fiskalmaßnahmen sind regelmäßig Maßnahmen, die nur die wirtschaftlichen oder
technischen Voraussetzungen für die eigentliche hoheitliche Tätigkeit schaffen
(BGH, Urteil vom 4. März 1982 - III ZR 150/80, juris Tz. 8). Hierüber geht die
Bewerbung des fachlichen Angebots einer Schule aus den vorgenannten Gründen
hinaus."
Die Verletzungen von Urheberrecht und Amtspflicht
Der 13. Zivilsenat des OLG Celle bestätigt die erstinstanzlich bereits vom Landgericht Hannover vertretene Rechtsauffassung und bewertet Urheberrechtsverletzungen als gleichzeitige Amtspflichtverletzungen:
"Das Landgericht hat weiter zutreffend erkannt, dass ein
Beamter, der in Ausübung seines öffentlichen Amtes eine unerlaubte Handlung
auch i. S. d. § 97 UrhG begeht, dadurch zugleich eine ihm dem Träger des Rechts
oder Rechtsguts gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt (vgl. BGH, Urteil vom
16. Januar 1992, a. a. O. Tz. 21).
Dass Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz nicht die
Anstellungskörperschaft, sondern der Schulträger ist, ist für die Beurteilung
des Anspruchsübergangs nach § 839 BGB, Art. 34 GG unerheblich.“
Die anderen Gerichte
Zu vom beklagten Land eingewendeten anderslautenden
gerichtlichen Entscheidungen führte das OLG aus:
„Im Hinblick auf die vorprozessual von dem beklagten Land
vertretene Rechtsauffassung weist der Senat insbesondere darauf hin, dass das
dort in Bezug genommene Urteil des OLG Braunschweig vom 8. Februar 2012 den
hier nicht vergleichbaren Sonderfall einer ungenehmigten Fotonutzung für einen
privaten E.-Verkauf betraf (2 U 7/11, juris Tz. 57 ff.). Die in Bezug genommene
Entscheidung des OLG Hamburg vom 2. September 2009 stützte sich insoweit, als
die Zuerkennung eines Zuschlags zum üblichen Honorar aufgrund der unterlassenen
Urheberbenennung nicht zuerkannt wurde, tragend darauf, dass dort die
unterbliebene Urheberbenennung bereits Teil der vorangegangenen Vereinbarungen
und daher durch die dort vereinbarte Vergütung mit abgegolten war (Urteil vom
2. September 2009 - 5 U 8/08, juris Tz. 34).“
Der Internetauftritt als kommunale "Schulanlage"
Das OLG stellt zur nicht in Betracht kommenden Haftung des kommunalen Schulträgers klar:
„Dass der Schulleiter nach § 111 Abs. 2 Satz 1 NSchG u.a.
die Aufsicht über die Schulanlage im Auftrag des Schulträgers ausübt, führt
nicht dazu, dass der Schulträger anstelle des beklagten Landes passivlegitimiert
wäre. Dabei kann offen bleiben, ob der Internetauftritt der Schule Teil der
„Schulanlage“ i.S.d. § 111 Abs. 2 Satz 1 NSchG ist, wofür allerdings einiges
spricht. ...
Allein durch die Heranziehung eines Kommunalbeamten zur
Erfüllung staatlicher Aufgaben wird dieser aber nicht zu einem Beamten mit
einer Doppelstellung im haftungsrechtlichen Sinne; er verbleibt vielmehr in
seinem ursprünglichen Anstellungsverhältnis (BGH a.a.O. Tz. 19). Dieser
Grundsatz gilt vorliegend entsprechend, wo der Schulleiter als Landesbeamter
für die Erfüllung kommunaler Aufgaben herangezogen wird.“
Die Bundesländer als neue bzw. nun vielleicht öfter bedachte Abmahnungsadressaten: ... Wenn das "Schule macht", kündigen sich ja spannende Vorgänge an - und vielleicht auch zukünftige Ambitionen des Gesetzgebers, über das sanierungsbedürftige Urheberrecht im digitalen, medialen und kulturellen Wandel neu nachzudenken.