Hier das aktuelle Urteil des OLG-Köln vom 31.10.2014 (Az. 6 U 60/14) im Wortlaut mit den Passagen, die plausibel begründen, warum ein durch Creative Commons-Lizenz geregeltes Verbot kommerzieller Nutzung zurückhaltend auszulegen und anzuwenden ist (Hervorhebungen durch den Blogger):
"Bei den Creative Commons-Lizenzen handelt es sich um AGB
(Mantz, GRUR Int. 2008, 20, 21; Strobel, MMR 2003, 778, 780), so dass ihre
Auslegung unter Berücksichtigung des Rechts der allgemeinen
Geschäftsbedingungen zu erfolgen hat. Die Bedingungen sind für eine Vielzahl
von Rechteeinräumungen vorformuliert; der Umstand, dass sie nicht von einer der
Vertragsparteien, sondern von dritter Seite erstellt worden sind, ändert nichts
an ihrer Bewertung als Allgemeine Geschäftsbedingungen, da sie einseitig
seitens des Klägers zur Bedingung der Nutzung seines Bilds gemacht worden sind.
Die Creative Commons-Lizenz ist wirksam in den
Nutzungsvertrag einbezogen worden. Auf die Beklagte finden gemäß § 310 Abs. 1
S. 1 BGB die § 305 Abs. 2 und 3 BGB keine Anwendung. Die Einbeziehung über
einen „doppelten“ Link ist daher ohne weiteres möglich, und jedenfalls
gegenüber einer Organisation von der Größe und internationalen Aufstellung der
Beklagten ist auch die Verwendung der englischen Fassung unbedenklich.
bb) Durch die streitgegenständliche Verwendung des Bildes
hat die Beklagte entgegen der Annahme des Klägers und des Landgerichts
allerdings nicht gegen das Verbot kommerzieller Nutzung verstoßen.
Das Internetangebot der Beklagten stellt zwar, anders als
dies die Beklagte vorträgt, und wie es auch Eingang in den Tatbestand des
landgerichtlichen Urteils gefunden hat, kein im strengen Sinne unentgeltliches
Angebot dar. Die Beklagte wird vielmehr aus dem Aufkommen des Rundfunkbeitrages
gemäß dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag finanziert. Dieser Beitrag ist sowohl
im privaten wie auch im nicht-privaten Bereich nicht voraussetzungslos
geschuldet, sondern wird als Gegenleistung für das Programmangebot des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben (BayVerfGH, DVBl. 2014, 848, juris Tz.
72; die entgegenstehenden Ausführungen in der noch zum alten
Rundfunkgebührenrecht ergangenen Entscheidung BVerfGE 31, 314 = NJW 1971, 1739,
1740, auf die sich die Beklagte berufen hat, dürften überholt sein). Nutzern im
Bereich der Bundesrepublik Deutschland wird daher das Internetangebot nicht
unentgeltlich zur Verfügung gestellt, sondern als Teil der Gegenleistung für
den von ihnen gezahlten Rundfunkbeitrag.
Ob eine solche Nutzung von der Ausschlussklausel für
„nicht-kommerzielle“ Nutzungen erfasst ist, lässt sich den Bedingungen der
Creative Commons-Lizenz nicht eindeutig entnehmen. Nach diesen ist eine Nutzung
untersagt „that is primarily intended for or directed toward commercial
advantage or private monetary compensation“ (Nr. 4 b), in der deutschen Fassung
„die hauptsächlich auf einen geschäftlichen Vorteil oder eine vertraglich
geschuldete geldwerte Verfügung abzielt oder darauf gerichtet ist“. Beiden
Fassungen lässt sich jedenfalls entnehmen, dass es auf die konkrete Nutzung des
lizenzierten Werkes und nicht allgemein auf das Aufgabengebiet des
Lizenznehmers ankommt. Der Umstand, dass die Beklagte als Körperschaft des
öffentlichen Rechts nicht gewinnorientiert arbeitet, führt daher nicht dazu,
dass von ihr vorgenommene Benutzungshandlungen automatisch als
nicht-kommerziell einzuordnen sind.
Für das Verständnis der Lizenzbedingungen können ferner die
Erläuterungen in der seitens der Beklagten vorgelegten Broschüre der „Creative
Commons“-Organisation „Folgen, Risiken und Nebenwirkungen der Bedingungen
‚nicht-kommerziell - NC‘“ (Anlage B 8, Bl. 169 ff. d. A.) mit herangezogen
werden. Auch wenn diese Broschüre nicht als eine „authentische Interpretation“
der Creative Commons-Lizenz angesehen werden kann, so kann sie doch als
indizieller Beleg für das Verkehrsverständnis der Lizenz ausgewertet werden.
Auch die Broschüre betont, dass es nicht auf den
Lizenznehmer, sondern auf die konkrete Art der Nutzung ankommt (anders, für
gemeinnützige Institutionen, Kreutzer, Open Content Lizenzen, 2011, S. 45).
„Kommerzielle Nutzung“ wird an einer Stelle in der Broschüre dahingehend
erläutert, „dass [die Institution] einen geschäftlichen Vorteil erringen und
durch ihr Tun eine geldwerte Vergütung erzielen will. Und auf diese sind alle
angewiesen, die nicht durch den Staat oder durch Spenden finanziert werden“ (S.
11 = Bl. 179 d. A.). Auch nach dieser Erläuterung bleibt offen, ob die Nutzung
des Bildes durch die Beklagte als kommerziell einzustufen ist, da die Beklagte
nach ihrer Selbsteinschätzung weder durch Spenden noch durch den Staat, sondern
durch ihre Nutzer finanziert wird. Deutlich wird jedenfalls, dass nach diesem
Verständnis „nicht kommerziell“ nicht mit „nicht gewinnorientiert“
gleichgesetzt werden kann, da auch geldwerte Vergütungen, die allein zur Kostendeckung
erhoben werden, als „monetary compensation“ zu verstehen sind. Allerdings
finden sich in der Broschüre auch Erläuterungen, die wieder Zweifel daran
erwecken können, ob nicht doch der Charakter des Lizenznehmers als
gewinnorientiert arbeitendes Unternehmen oder gemeinnützige Einrichtung auf die
Bewertung Einfluss haben soll. So wird die Nutzung eines Bildes auf der
Internetseite eines privaten Unternehmens als eine „ganz klar“ kommerzielle
Nutzung bewertet (S. 11 = Bl. 179 d. A.; so auch Kreutzer, Open Content
Lizenzen, 2011, S. 43), selbst wenn der Zugang zu der Internetseite - wie bei
Unternehmensseiten generell üblich - für den Nutzer vollständig unentgeltlich
ist. Andererseits wird dort ausgeführt, dass die Lizenz „nicht-kommerziell“
auch die Nutzung auf „Wikipedia“ untersagt, weil Inhalte von Wikipedia
ihrerseits kommerziell vertrieben würden (S. 10 = Bl. 178 d. A.). Die Tätigkeit
der Beklagten wäre daher in diesem Sinne bereits dann als kommerziell
einzustufen, wenn sie ihrerseits entgeltliche Lizenzen an von ihr produzierten
Inhalten erteilen würde.
Die Bewertung der Motivlage der Rechteinhaber, die die hier
in Rede stehende Einschränkung der Creative Commons-Lizenz wählen, führt
ebenfalls zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis. Als mögliche Motive werden
in der Broschüre die Ablehnung von „Geschäftemacherei“ zulasten gemeinnütziger
Institutionen (S. 9 = Bl. 177 d. A.) genannt. Als weiteres mögliches Motiv wird
das Interesse eines unternehmerisch tätigen Rechteinhabers genannt, seine
Inhalte im Bereich von Bildung und Wissenschaft zu verbreiten, nicht aber
Konkurrenten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen (S. 21 = Bl. 189 d. A.).
Auch wenn in der Broschüre betont wird, die Fähigkeit eines Lizenznehmers, für
die Lizenz ein Entgelt zu bezahlen, sei für die Bewertung als kommerziell oder
nicht-kommerziell nicht einschlägig (S. 12 = Bl. 180 d. A.), so kann - auch vor
dem Hintergrund der Ausführungen in der Broschüre zur schwachen Finanzbasis
vieler gemeinnütziger Institutionen - nicht ausgeschlossen werden, dass
Rechteinhaber mit der Wahl der „non-commercial“-Option in diesem Sinn
„bedürftige“ Institutionen unterstützen wollen. Ein ähnliches Motiv kann darin
bestehen, zwei Lizenzmodelle anzubieten, ein unentgeltliches für den
nicht-kommerziellen und ein entgeltliches für den kommerziellen Einsatz
(Kreutzer, Open Content Lizenzen, 2011, S. 46). Gerade bei einem Fotografen,
der seine Bilder vermarkten möchte, liegt es nahe, dass er diese nur solchen
Institutionen unentgeltlich zur Verfügung stellen möchte, die auf die Nutzung
kostenfreier Inhalte angewiesen sind, was bei der Beklagten - ohne die
Diskussion über die Angemessenheit der Rundfunkgebühren eröffnen zu wollen -
nicht angenommen werden kann.
Ebensowenig lässt sich unter Heranziehung des allgemeinen
Zwecks der „Creative Commons“-Lizenzen ein eindeutiges Ergebnis ermitteln. Zwar
liegt diesen Lizenzen grundsätzlich der Gedanke zugrunde, dass die unter ihnen
zur Verfügung gestellten Inhalte möglichst weit verbreitet werden sollen. Hier
ist aber eine Einschränkung dieses Grundsatzes zu beurteilen, die auch nach dem
in der Broschüre B 8 wiedergegebenen Verständnis der „Creative
Commons“-Organisation zu einer deutlichen Einschränkung der freien Verbreitung
führt (S. 10 = Bl. 178 d. A.: „NC [non-commercial] lizenzierte Inhalte können
nicht so weit und nicht so leicht verbreitet werden“). Eine Auslegung im Sinn
einer möglichst weitgehenden Verbreitungsbefugnis ist daher nicht möglich.
Schließlich spricht auch eine von Jaeger/Mantz in ihrer
Besprechung des erstinstanzlichen Urteils (MMR 2014, 478) zitierte Studie der „Creative
Commons“-Organisation (http://mirrors.creativecommons.org/defining-noncommercial/Defining_Noncommercial_ fullreport.pdf)
für eine beträchtliche Unsicherheit hinsichtlich des Verständnisses der
Einschränkung „non-commercial“. Danach ordneten die befragten Nutzer die
Tätigkeit staatlicher Organisationen auf einer Skala von 1 (definitiv
nicht-kommerziell) bis 100 (definitiv kommerziell) mit 65-75 Punkten ein. Für
öffentlich-rechtliche Organisationen wie die Beklagte dürfte nichts anderes
gelten. Bemerkenswert ist weiter, dass nach dieser Studie die meisten Befragten
als Fall „nicht-kommerzieller“ Nutzung in erster Linie die Nutzung durch
Einzelpersonen für persönliche und private Zwecke nannten (S. 50 der Studie),
mithin eben das Verständnis zugrunde legten, von dem auch das Landgericht in
der angefochtenen Entscheidung ausgegangen ist.
Auch die Anwendung des § 31 Abs. 5 UrhG, auf den das
Landgericht entscheidend abgestellt hat, führt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Für
die Anwendung des § 31 Abs. 5 UrhG ist vorrangig der von den Parteien verfolgte
Vertragszweck zu ermitteln (BGH, GRUR 1984, 528, 529 - Bestellvertrag). In der
hier zu beurteilenden Konstellation kann dieser allein durch die nach
objektiven Kriterien vorzunehmenden Auslegung der Creative Commons-Lizenz
ermittelt werden, der sich aber - wie dargelegt - gerade nicht eindeutig
entnehmen lässt, welcher Zweck mit der Einschränkung auf „nicht-kommerzielle“
Nutzungen verfolgt wird. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Grundgedanke des
§ 31 Abs. 5 UrhG, die Rechte tendenziell beim Urheber zu belassen, um diesem
eine angemessene Beteiligung an der wirtschaftlichen Verwertung seines Werkes
zu sichern (BGH, GRUR 2012, 1031, Tz. 17 - Honorarbedingungen freie
Journalisten; Senat, NJOZ 2008, 174, 178 - Videozweitverwertung), im Bereich
der Open Content-Lizenzen, die im Gegenteil tendenziell eine möglichst
weitgehende Verbreitung des Werks erlauben sollen, nicht uneingeschränkt
Anwendung finden kann.
Bei dieser Sachlage gehen daher gemäß der Unklarheitenregel
des § 305 c Abs. 2 BGB, die auch auf vorformulierte Lizenzbedingungen Anwendung
findet (Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl. 2013, § 31 Rn. 109), die
Zweifel an der Reichweite des Verbots nicht-kommerzieller Nutzungsarten
zulasten des Verwenders, hier des Klägers. Da ein Verständnis dieser
Einschränkung in dem Sinn, dass die Beklagte als öffentlich-rechtliche
Einrichtung das Bild zumindest dann nutzen darf, wenn sie dadurch keinen
direkten finanziellen Vorteil erzielt, möglich ist, ist diese Auslegung zu
ihren Gunsten zugrunde zu legen."
Daran werden zukünftige urheberrechtliche Foto-Abmahnungen sich messen lassen müssen, in denen nicht selten sehr übereilt eine vermeintlich verbotene kommerzielle Bilder-Nutzung unterstellt wird, wenn in Online-Portalen unter entsprechender CC-Lizenz eingestellte Fotos auf der Webseite der Abgemahnten verwendet werden.