In seiner
Entscheidung stellt der EGMR fest, dass die deutsche - und insbesodere die Hamburger - Justiz zu Unrecht die
Berichterstattung der "Bild"-Zeitung über
das politisch umstrittene Gazprom-Engagement von
Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder untersagt
hat.
In der "Bild"-Zeitung war am 12.12.2005 ein
redaktioneller Beitrag erschienen mit der Überschrift "Schröder soll sein
Russen-Gehalt offenlegen". Darin ging es um den politischen Streit und
insbesondere um kritische Fragen eines FDP-Bundestagsabgeordneten hinsichtlich des fast
übergangslosen beruflichen Einstiegs des Ex-Bundeskanzlers und Putin-Freundes
beim Energie-Konzern Gazprom kurz nach der von Schröder herbeigeführten
vorzeitigen Bundestagswahl. Schröder hatte ein Amt, einen
"lukrativen Job", als Aufsichtsratschef des russisch-deutschen
Gaspipeline-Unternehmens Nord Stream angenommen.
Das Landgericht
Hamburg und das Hanseatische
OLG hatten Springer verboten, die kritischen Fragen des FDP-Abgeordneten
weiterzuverbreiten. Rechtsmittel von Springer beim Bundesgerichtshof und beim Bundesverfassungsgericht scheiterten.
Ein solches Verbot journalistischer Berichterstattung könne
durchaus abschreckende Wirkung auf die Ausübung der Meinungs- und
Pressefreiheit haben, urteilt der Gerichtshof und erinnert gleichzeitig daran,
dass Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wenig Platz für
Einschränkungen der Äußerungsfreiheit lasse, insbesondere bei politischen
Fragen bzw. öffentlichen Diskussionen um Themen von allgemeinem öffentlichen
Interesse. Jedenfalls habe der Verlag "nicht die Grenzen der
journalistischen Freiheit überschritten".
Deutschland muss dem Springer-Verlag jetzt über 41.000,00 Euro Kosten ersetzen. Das EGMR-Urteil kann auf innerhalb von drei Monaten zu
stellenden Antrag einer der Parteien noch von der Großen Kammer des Gerichtshofes
überprüft werden.