Einbahnstraße für Filesharing-Abmahnungen vor dem OLG Köln? |
Wie Familien bei Filesharing-Abmahnung nicht in eine Einbahnstraße geraten
Berufungsverhandlungen vor dem 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts
am vergangenen Freitag am Reichensperger Platz in Köln:
Einbahnstraße für Tauschbörsen-Abmahner bei familiärem Internetanschluss?
Eiskalte Haftung für den Anschlussinhaber, nur weil er seine Familienangehörigen, seine Ehefrau oder seine Kinder, nicht verhören, nicht verdächtigen oder nicht denunzieren will?
Oder etwa „Sippenhaft“, weil der abgemahnte und verklagte Anschlussinhaber seiner abstreitenden Familie vertraut und glaubt?
Erstaunlich aufgeräumt und offen zeigte sich am 25.10.2013
der Berufungssenat des OLG Köln anlässlich von ihm als rechtsfehlerhaft erkannter landgerichtlicher Verurteilungen zu Schadensersatz und zur Erstattung anwaltlicher Abmahnungskosten:
Das OLG habe etwas längere Zeit gebraucht, um eine klare
Linie zur sekundären Darlegungslast bei Filesharing-Abmahnungen zu finden,
erläuterte der Vorsitzende. Gleichzeitig bedauerte der Senat, dass der BGH
bisher keine Gelegenheit bekommen hat, sich eindeutiger dazu zu äußern, welche
Angaben vom abgemahnten Anschlussinhaber verlangt werden können (und müssen).
Die Fall-Konstellationen seien durchaus unterschiedlich und man mache sich den
schmalen Grat zwischen dem Schutz der Rechteinhaber vor wahrheitswidrigen
pauschalen Schutzbehauptungen und der Ablehnung pauschaler falscher Verdächtigung
von vielleicht unschuldigen Anschlussinhabern keineswegs leicht.
Was ist zur Zerstreuung der angeblichen tatsächlichen
Vermutung, der Anschlussinhaber selbst habe die streitgegenständlichen Uploads
vorgenommen oder zugelassen, darzulegen? Reicht die substantiierte Behauptung,
der Anschlussinhaber selbst sei es nicht gewesen, sein Ehepartner oder seine Kinder
hätten zur fraglichen Zeit zwar grundsätzlich eine eigene
Internetanschluss-Zugriffsmöglichkeit gehabt, ein eigenes Fehlverhalten aber ebenfalls
bestritten und dem würde der Anschlussinhaber vertrauen?
Ja!
Nach zwischenzeitlichen Irritationen über tatsächliche oder
vermeintliche Rückzieher des 6. Zivilsenats von entsprechenden Bewertungen z.
B. im OLG-Beschluss vom 28.05.2013 (Az. 6 W 60/13) durch nachfolgende
Berufungsurteile des OLG Köln (z. B. vom 02.08.2013, Az. 6 U 10/13) und über fortgesetzt
unangemessene Verurteilungen der 28. Zivilkammer des Kölner Landgerichts kündigt
sich nun eine klare, gefestigte und angemessene Rechtsprechung des Oberlandesgerichts
Köln zur sekundären Darlegungslast an. Die Ausführungen der Berufungsrichter im
Verlauf der mündlichen Verhandlungen vom 25. Oktober 2013 geben berechtigten
Anlass dazu, weitere Rückzieher des OLG Köln von einer angemessenen familienfreundlichen
Rechtsprechung für die Zukunft nahezu auszuschließen.
Festzuhalten bleibt bei sachgerechter Würdigung des aktuellen
Verhandlungsverlaufs vor dem OLG-Senat:
- Im Fall eines über einen bestimmten Internetanschluss verifizierten Filesharing-Verstoßes nimmt auch das OLG Köln an, dass eine tatsächliche Vermutung, ein Anscheinsbeweis, dafür spricht, dass der Verstoß vom Anschlussinhaber selbst zu verantworten ist (als unmittelbarer oder mittelbarer Täter oder als vorsätzlicher Anstifter oder Gehilfe).
- Diese (m. E. durchaus fragwürdige) Vermutung kann nun zumindest dann nicht aufrechterhalten werden, wenn der/die Abgemahnte darlegt (und im Bestreitensfall beweist), dass zumindest eine andere berechtigte Person im verifizierten Zeitraum grundsätzlich die Möglichkeit hatte, auf den Internetzugang zuzugreifen.
- Dies gilt auch dann, wenn der/die beklagte Anschlussinhaber/in vorträgt, die Familie habe zwar die Zugriffsmöglichkeit gehabt, eigene Verstöße aber glaubwürdig bestritten. Der Anschlussinhaber darf seiner Familie vertrauen, muss ihr nicht misstrauen – was in (anderem) Zusammenhang mit einer in Abmahnungen gern unterstellten Überwachungspflicht des Anschlussinhabers auch bereits vom BGH mit seiner (Morpheus)-Entscheidung vom 15.11.2012 festgestellt worden ist.
- Auch wenn die abgemahnte und beklagte Partei den bestreitenden Angaben der zum Verstoßzeitpunkt mit grundsätzlicher Zugriffsmöglichkeit ausgestatteten Familienangehörigen vertraut, kann dennoch eine zur Zerstreuung der tatsächlichen Täterschaftsvermutung geeignete ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs nicht ausgeschlossen werden, was zur erfolgreichen Abmahnungs- und Klageabwehr ausreichen kann.
Der steinige Weg aus der Abmahnungs-Einbahnstraße für zu
Unrecht abgemahnte Inhaber eines familiären bzw. häuslichen Internetanschlusses
wird also doch weiter geebnet. Voraussetzung sind nicht die Überwachung,
Aushorchung, Verdächtigung oder Denunzierung von Familienangehörigen, wohl aber
wahrheitsgemäßer und sachgerechter, nicht lediglich pauschaler Sach-und
Rechtsvortrag, der aber nicht darauf hinauslaufen muss, Ehefrau oder Kinder ans
Messer zu liefern.
Den weiteren Entscheidungen des OLG Köln dürfen viele
Familien folglich optimistisch entgegensehen.
Dennoch bleiben weiterhin - auch beim OLG Köln - sachverhaltliche,
technische und rechtliche Streitfelder mit nicht unerheblichem Klärungs- und
Argumentationsbedarf: So etwa, wenn der Berufungssenat davon ausgeht, bei
bloßem LAN-Netzwerk wären mit krimineller Energie ausgestattete Trojaner-Infektionen
nicht möglich (unter Verkennung von möglichen E-Mail- und Webseiten-Angriffen
sowie der etwaigen Verschleierung z. B. durch Rootkits). Oder wenn Recherche-,
Protokollierungs- und Archivierungs-Abläufe von Anti-Piracy-Unternehmen im
Streit stehen. Auch die Qualität mancher tatsächlichen Vermutung sowie die
konkreten Anforderungen an sekundäre Darlegungs- und Beweis-Pflichten werden
für die verschiedensten Fall-Konstellationen noch so manche Einbahnstraße
entstehen lassen, die es zu öffnen gilt.