Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 05.06.2013 (Az. 28
O 346/12) erneut im Zusammenhang mit Filesharing-Vorwürfen einen Familienvater
und Inhaber eines häuslichen Internetanschlusses zur Zahlung von Schadensersatz
und zur Erstattung vorgerichtlicher Abmahnungskosten verurteilt zugunsten von
vier großen deutschen Musikverlagen.
Die klagenden Musiklabel behaupten, der beklagte Ehemann und Vater von zwei
Kindern habe Nutzungs- und Verwertungsrechten an 15 Musikwerken verletzt – und zwar
durch angeblich über den häuslichen Internetanschluss an einem Sonntagvormittag
im Juni 2008 vorgenommene illegale Filesharing-Teilnahme.
Der Beklagte hat im Verfahren vorgetragen und durch Zeugen
sowie durch sachverständige Analyse der noch vorhandenen Router- und Rechner-Hardware
unter Beweis gestellt, dass er zu keinem Zeitpunkt jemals Filesharing betrieben
hat - auch nicht an dem in der urheberrechtlichen Klage behaupteten Vormittag. Das
Landgericht Köln ist den Beweisantritten allerdings nicht nachgekommen
Auf die anwaltliche Abmahnung hin hatte der Anschlussinhaber
eine modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung ohne weitergehende
Rechtsanerkenntnisse abgegeben.
Nachdem seine Ehefrau und sowohl der zum damaligen
Zeitpunkt minderjährige, als auch der zum damaligen Zeitpunkt bereits
erwachsene Sohn dem Beklagten versichert hatten, ebenfalls kein illegales
Filesharing betrieben zu haben, sah dieser keinen Anlass, seine Familienangehörigen
gegenüber den Musikverlagen, den abmahnenden Rechtsanwälten oder dem Gericht
dennoch vermeintlicher illegaler Filesharing-Teilnahme zu bezichtigen. Der beklagte
Familienvater wies allerdings gleichzeitig darauf hin, dass er - ungeachtet seines
grundsätzlichen Vertrauens in die Angaben seiner Ehefrau und seiner beiden Söhne
- andererseits selbstverständlich naturgemäß etwaige ihm entgangene oder verheimlichte
Rechtsverstöße seiner Familienangehörigen oder von Freunden oder Gästen seiner
Familienangehörigen nicht völlig ausschließen kann und dass jede andere Bewertung
vermessen wäre.
Der Beklagte hatte bereits im Jahre 2007 und insbesondere
auch in der ersten Hälfte des Jahres 2008 seine Familienmitglieder eingehend auf
das Verbot einer öffentlichen Zugänglichmachung von urheberrechtlich
geschützten Musik- oder Filmdateien im Rahmen von sog. Filesharing-Börsen hingewiesen
und generell die Teilnahme an Online-Tauschbörsen über seinen häuslichen
Internetanschluss untersagt. Diesbezüglich benannte der Beklagte ebenfalls mehrere
Zeugen.
Die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln hat den Beklagten
dennoch als angeblichen "Täter" zu Schadensersatz und
Kostenerstattung verurteilt.
Der Beklagte habe eine gegen ihn gerichtete "tatsächliche Vermutung ... nicht erschüttern
können, da er keine konkrete Möglichkeit eines atypischen Lebenssachverhalts
dargelegt" habe. Aus dem Umstand, dass der Beklagte den Angaben seiner
Familienangehörigen dahingehend, dass auch diese kein Filesharing betrieben haben,
grundsätzlich vertraut, und dass der Beklagte auf der anderen Seite gleichzeitig
klarstellt, dass er naturgemäß etwaige ihm entgangene oder ihm verheimlichte
Rechtsverstöße seiner Familienangehörigen (oder auch von Gästen seiner Familienangehörigen)
nicht völlig ausschließen kann, leitet das Gericht "widersprüchlichen Vortrag" ab, aufgrund dessen der Beklagte
"seiner sekundären Darlegungslast
nicht nachgekommen" sei.
Dies wird der Lebenssituation im Zusammenhang mit
familiären Internetanschlüssen, den zwangsläufig insoweit oft eingeschränkten
Erkenntnismöglichkeiten des Anschlussinhabers und realistischen Anforderungen
an die sekundäre Darlegungspflicht eines familiären Internetanschlussinhabers
sowie insbesondere den in dem Zusammenhang zu berücksichtigenden Zumutbarkeitsgrenzen
nicht gerecht.
Zumindest hätte das Gericht den Beweisantritten des
Beklagten, der schließlich sogar überpflichtmäßig zum Gegenbeweis bereit war,
nachkommen müssen. Oder? Ist letzteres wirklich richtig? Nein! Das Gericht
hätte nicht den Beweisantritten des Beklagten nachgehen müssen, es hätte
allenfalls entsprechenden Beweisantritten der klagenden Musikverlage nachgehen
müssen. Die klagenden Musikverlage haben aber von ihrem Recht, derartige, vom Beklagten
überpflichtmäßig angebotene Beweismittel auch ihrerseits aufzugreifen, nicht Gebrauch
gemacht. Das kann nicht dem nur sekundär Darlegungspflichtigen angelastet werden.
Und dies werden die klagenden Musiklabel zivilprozessual auch zweitinstanzlich
nicht mehr nachholen können.
Hier das nicht rechtskräftige Urteil im Original-Text:
Hier das nicht rechtskräftige Urteil im Original-Text:
Wie man demgegenüber fair und sachgerecht mit vergleichbaren Fällen familiärer Filesharing-Vorwürfe und diesbezüglichem Sachvortrag des Internetanschlussinhabers bzw. der Internetanschlussinhaberin umgeht, zeigt - neben Entscheidungen auch des OLG Köln - sehr anschaulich u.a. das Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11.09.2012 (Az. 33 O 353/11).