BGH-Urteil: Verdächtigungen und Verhöre nach anwaltlichen Abmahnungen
Was unbescholtene Haus- und Wohnungseigentümer in ihren Briefkästen vorfinden, löst auch und gerade in aktuellen Pandemiezeiten nicht selten Bestürzung und Entsetzen aus. Da wird in umfangreicher Anwaltspost unter Vorlage gerichtlicher Beschlüsse und unter Hinweis auf ergangene höchstrichterliche Entscheidungen verlangt, Familienangehörige, Mitbewohner und Gäste wegen vermeintlich über das Internet begangener Urheberrechtsverletzungen quasi geheimdienstlich zu bespitzeln und zu denunzieren. Andernfalls drohen die Abmahner mit erheblichen Schadensersatz- und Kostenforderungen. Gleichzeitig wird für den Fall eines unkooperativen Verhaltens die Gefahr mehrinstanzlicher gerichtlicher Verfahren mit immensen Prozesskosten angekündigt.
Ist man dann zu familiärem Verrat verpflichtet?
Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe (verkündet am 17.12.2020, Az. I ZR 228/19) hat nun auf über 30 Seiten Klarheit dazu geschaffen. Obwohl einige Abmahnanwälte dies anders darzustellen versuchen, sind die Inhaber*innen von häuslichen Internetanschlüssen nicht dazu verpflichtet, nach Erhalt einer Filesharing-Abmahnung den Abmahnern außergerichtlich etwa Familienangehörige oder Mitbewohner*innen der illegalen Teilnahme an Online-Tauschbörsen zu bezichtigen und sie ggf. so „ans Messer zu liefern“.
Greift die sekundäre Darlegungslast oder die Störerhaftung
ein?
Die in derartigen Abmahnungsschreiben häufig zu findende gegenteilige Argumentation, der schuld- und ahnungslose Abmahnungsadressat müsse innerhalb der eingeräumten Frist seinen sog. „sekundären Darlegungspflichten“ nachkommen, da er ansonsten selbst hafte, ist ebenso falsch wie ein etwaiger Versuch der Film-, Serien- oder Audio-Produzenten, mit sog. „tatsächlichen Vermutungen“ oder gar mit einer angeblich jeden Anschlussinhaber treffenden „Störerhaftung“ zu argumentieren. Dies geht spätestens seit der Änderung des Telemediengesetzes (TMG) vom 28.09.2017 ebenso fehl wie der in manchen Abmahnungen ausdrücklich oder unterschwellig enthaltene Vorwurf, man habe evtl. den häuslichen Internetanschluss nicht ausreichend abgesichert oder unzulänglich kontrolliert.
Was ist mit drohenden Abmahnungs- und Prozesskosten?
Wenn die Abmahner schließlich damit drohen, trotz fehlender Täterschaft des Anschlussinhabers sei dieser für den Fall anschließender gerichtlicher Verfahren zumindest gesetzlich verpflichtet, die wegen fehlender Auskunft erforderlich gewordenen Prozesskosten zu erststatten, wird mit der o. g. BGH-Entscheidung auch derartigen fehlerhaften Rechtsbehauptungen ein Riegel vorgeschoben. Karlsruhe verneint eindeutig entsprechende vorgerichtliche Kostenerstattungsansprüche.
Keine Panik!