Verregnete Ferientage sind die richtige Zeit, um mit geschickt gebastelten Rundschreiben ein zusätzliches Urlaubsgeld zu gewinnen. Dabei geben die Praktiken einiger besonders gewiefter Angehöriger der Abmahnungsbranche hilfreiche Anregungen für ein leicht verdientes urheberrechtliches Zubrot.
Dies gilt um so mehr, als liebevoll gestaltete Abmahnungspost gerade in der Ferienzeit lukrative Wirkungen entfalten kann: Während der Urlaubsvorbereitungen, kurz vor Urlaubsantritt oder auch unmittelbar bei Rückkehr von der Reise ist die Bereitschaft vieler, dann besonders gestresster Abmahnungsempfänger sehr groß, durch Zahlung des vermeintlich entgegenkommenden Vergleichsbetrages und Abgabe der freundlicherweise bereits vorgedruckten Unterlassungserklärung befürchtete zusätzliche Unannehmlichkeiten und Kosten zu vermeiden.
Fangen wir also gleich damit an, ein geeignetes Abmahnungselaborat zusammen zu basteln.
Die schriftliche Vollmacht eines Rechteinhabers ist dazu nicht erforderlich. Wir benötigen auch kein besonders gelungenes oder erfolgreiches (Musik- oder Film-)Werk. Ein Song von Platz 98 der "Charts" oder ein Low-Budget-Porno-Film reichen völlig aus als Grundlage lukrativer Geschäftspolitik.
Jetzt gilt es, einen gewitzten IT-Freak mit einem kleinen Anti-Piracy-Unternehmen zu finden, der sich mit möglichst geringem und billigem technischen Aufwand in Tauschbörsen einloggt und dort sicherlich schnell und massenhaft IP-Adressen ermittelt, über die wilde Surfer zumindest Fragmente der entsprechenden Audio- oder Video-Werke (mit zumindest entsprechendem Dateinamen und/oder Hashwert) down- und upgeloaded haben.
Mit den entsprechenden Daten-Listen geht´s dann zur zuständigen Urheberrechtskammer beispielsweise des Landgerichts Köln, München, Bielefeld oder Flensburg, wo in einem recht automatisierten und formularisierten Verfahren der der jeweiligen IP-Adresse zuzuordnende ISP (Internet-Service-Provider) gerichtlich verpflichtet wird, Auskunft über Name und Adresse des zum fraglichen (nicht selten wirklich fraglichen) Zeitpunkt der ermittelten IP-Adresse zuzuordnenden Anschlussinhabers zu erteilen. Die Angabe von Zeugen oder die Vorlage substantiierter Gutachten von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen wird in diesem Verfahren nicht von uns verlangt. Im Auskunftsverfahren müssen wir auch nichts beweisen; das Gericht muss lediglich glauben, was wir erzählen.
Damit haben wir schon mal das Wichtigste für das Basteln eines Abmahnungsschreibens: die postalische Adresse.
Nun sammeln wir noch ein wenig kompliziert klingende juristische Fachterminologie, gepaart mit technischen Vokabeln und einigen Paragraphen. Das ganze ergänzen wir um ausgewählte passende und unpassende Gerichtsurteile und Urteilszitate.
Wichtig ist es bei der Abfassung unseres Bastel-Briefes, darin keinerlei Zweifel oder Unsicherheit hinsichtlich der vorausgegangenen Daten-Recherche und der Frage der wirklichen und konkreten Verantwortlichkeit des Adressaten oder der Adressatin aufkommen zu lassen. Entlastende oder auch nur differenzierende Gerichtsentscheidungen sind tunlichst zu verschweigen oder gewieft umzuinterpretieren. Den kritischen Stimmen forensisch besonder anspruchsvoll agierender Sachverständiger verleihen wir besser kein Gehör.
Die Abmahnungs-Adressaten bezeichnen wir als Störer, obwohl uns die Gelegenheit zur Abmahnung eigentlich eher nicht stört. Den Internet-Anschluss deklarieren wir zur gemeinen, in jedem Fall haftungserzeugenden Gefahrenquelle - gleichsam das Kraftfahrzeug im worlwide Web der Raubkopierer und Piraten.
Mit juristischer Prosa sollte man keineswegs sparsam umgehen. Das streckt das "Lese-Erlebnis" für den Abmahnungsempfänger bzw. die Abmahnungsempfängerin und erhöht den dortigen Stress-Faktor.
Geschmacklich können wir beliebig wählen zwischen bitteren und scharfen Androhungen auf der einen Seite und gefälligen und lieblichen Vergleichs-Formulierungen auf der anderen Seite der Geschmacks-Skala. Kein Zweifel sollte allerdings über die extreme Wertigkeit und Hochpreisigkeit des Streitstoffes aufkommen. Nur was teuer ist, ist auch gut.
Etwaigen Kritikern des Schriftstücks und des damit massenhaft verbreiteten Geschäftsmodells sollte von vornherein der Wind aus den Segeln genommen werden - mit vollmundiger "Zweifellos-Argumentation".
Die Ankündigung dramatischer Schadens- und Kosten-Szenarien darf ebenfalls nicht fehlen: Angst essen Seele auf.
Abgerundet wird das Ganze mit tränenreichen Ergüssen über das Darben der piraten-gebeutelten Rechte-Industrie.
Für zukünftig etwaig weiter sprudelnde Geldquellen empfiehlt sich die möglichst gewitzte Abfassung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Das Formular bedarf je nach Ausgangssituation entweder einer sehr engen Abfassung des "Verstoß"-Sachverhaltes, um durch nachfolgende weitere Abmahnungen hinsichtlich ähnlicher "Verstöße" wiederholt kurzfristigst Kasse machen zu können, oder aber unangemessen weiter Fassung der "Verstoß"-Sachverhalte, um die lukrativen Möglichkeiten eventueller späterer Vertragsstrafen-Forderungen zu maximieren.
Die Vertragsstrafen sollten wir so ansetzen, dass entweder generell ein konkreter, recht hoher Betrag für jeden atomisierten Einzelfall zu zahlen ist, oder aber - ohne fixierte Bezifferung - nach oben unbegrenzte Summen zu verdienen sind.
Bei der Kostenrechnung gehen wir selbstverständlich von überhöhten Streitwerten auf der Basis veralteter Gerichtsurteile aus und lehnen jede Relevanz der etwaigen Kappungsgrenze von 100 Euro ab, auch wenn nur ein "Chart"-Song zur Grundlage unseres Abmahnungs-Werkes gemacht wird.
Schließlich fehlt nur noch die Einsetzung einer klitzekleinen Frist, um den Druck auf die Abmahnungsempfänger in der Ferienzeit und damit die Aussicht auf schnelles Geld noch mehr zu erhöhen.
Dann frisch an's Werk, eine frohe Bastelstunde und viel, viel "Urlaubsgeld".
Samstag, 13. August 2011
Wir basteln uns eine Filesharing-Abmahnung - Eine böse Glosse zum Urheberrecht
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