Donnerstag, 10. Juli 2014

Pressefreiheit und Meinungsfreiheit: EGMR-Urteil korrigiert Hamburger und Karlsruher Gerichte

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit seinem heutigen Urteil (10.07.2014, Az. 48311/10) mal wieder eine Lanze für die Pressefreiheit gebrochen.

In seiner Entscheidung stellt der EGMR fest, dass die deutsche - und insbesodere die Hamburger - Justiz zu Unrecht die Berichterstattung der "Bild"-Zeitung über das politisch umstrittene Gazprom-Engagement von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder untersagt hat.

In der "Bild"-Zeitung war am 12.12.2005 ein redaktioneller Beitrag erschienen mit der Überschrift "Schröder soll sein Russen-Gehalt offenlegen". Darin ging es um den politischen Streit und insbesondere um kritische Fragen eines FDP-Bundestagsabgeordneten hinsichtlich des fast übergangslosen beruflichen Einstiegs des Ex-Bundeskanzlers und Putin-Freundes beim Energie-Konzern Gazprom kurz nach der von Schröder herbeigeführten vorzeitigen Bundestagswahl. Schröder hatte ein Amt, einen "lukrativen Job", als Aufsichtsratschef des russisch-deutschen Gaspipeline-Unternehmens Nord Stream angenommen.

Das Landgericht Hamburg und das Hanseatische OLG hatten Springer verboten, die kritischen Fragen des FDP-Abgeordneten weiterzuverbreiten. Rechtsmittel von Springer beim Bundesgerichtshof und beim Bundesverfassungsgericht scheiterten.

Ein solches Verbot journalistischer Berichterstattung könne durchaus abschreckende Wirkung auf die Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit haben, urteilt der Gerichtshof und erinnert gleichzeitig daran, dass Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wenig Platz für Einschränkungen der Äußerungsfreiheit lasse, insbesondere bei politischen Fragen bzw. öffentlichen Diskussionen um Themen von allgemeinem öffentlichen Interesse. Jedenfalls habe der Verlag "nicht die Grenzen der journalistischen Freiheit überschritten".

Deutschland muss dem Springer-Verlag  jetzt über 41.000,00 Euro Kosten ersetzen. Das EGMR-Urteil kann auf innerhalb von drei Monaten zu stellenden Antrag einer der Parteien noch von der Großen Kammer des Gerichtshofes überprüft werden.
 

Samstag, 5. Juli 2014

Unklare Online-AGB: Fluege.de landet bei Gericht




Bielefelder Anwalt erstreitet Schadensersatz 

Gerade rechtzeitig vor Ferienbeginn gibt ein rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Leipzig den Reisekunden Recht, die Ärger mit der Flugbuchung per Internet haben.  
Rückflug ohne Hinflug
Der Kunde buchte auf der so nett und prominent beworbenen Webseite die Vermittlung eines sogenannten „Kombi-Fluges“ von Düsseldorf mit der Lufthansa nach Malaga bei eineinhalb Wochen später stattfindendem Rückflug von Malaga mit Air-Berlin nach Düsseldorf. Es wurde insoweit  für Hinflug und Rückflug der Erhalt jeweils separater Rechnungen und E-Tickets angekündigt. Vermittelt wurde dann allerdings nur der Rückflug, nicht der damit kombinierte Hinflug. Und die Rückflugkosten zuzüglich der diversen Zuschläge und Gebühren wurden sofort abgebucht.
Der Kunde ist rechtskundig
Fluege.de meinte, auf eine freundliche Erinnerung des Reisekunden mit einer automatisierten Vertröstungs-Mail reagieren zu müssen und zu dürfen: Man solle doch „in der Zwischenzeit von Rückfragen absehen.“ Dies veranlasste den Kunden, den hier bloggenden Anwalt „himself“, dazu, dem Flugportal eine letzte Frist mit Ablehnungsandrohung zu setzen, was bei fluege.de aber immer noch nicht ernst genommen wurde. Schließlich meldete sich der rechtskundige Kunde offiziell anwaltlich beim Portal-Betreiber unter wiederholtem Hinweis auf die gesetzte Frist zur auftragsgemäßen Vermittlung auch des von dem bestellten „Kombi-Flug“ umfassten Hinfluges.
Die Frist verstreicht
Den Fristablauf kurz vor dem beabsichtigten Reiseantritt fand der Kunde gar nicht lustig – und schon gar nicht billig und recht. Der dennoch reiselustige Anwalt und Blogger erklärte – wie angedroht – den Rücktritt vom Vermittlungsauftrag, forderte die Rückzahlung der abgebuchten Flugkosten, Zuschläge und Gebühren und fand bei anderen Anbietern stressfreiere Möglichkeiten, seine dann modifizierten Reisevorhaben zu realisieren.
Nun meldete sich fluege.de und wollte plötzlich doch noch den Kunden an seinem mittlerweile verworfenen Flugplan festhalten – mit einem verbilligten Angebot. Der rechtskundige Kunde lehnte dankend ab und setzte anwaltlich eine weitere außergerichtliche Rückzahlungsfrist. 
Jetzt wird fluege.de juristisch
… und meint unter Berufung auf die u.a. in der Online-„Buchungsstrecke“ enthaltenen AGB, den Kunden auf dem bloßen Rückflug ohne Hinflug „sitzen lassen“ zu können. Hin- und Rückflug müssten „gänzlich unabhängig von einander betrachtet werden.“ Von wo aus soll der Flugreisende den Rückflug betrachten, wenn er nicht einmal den angekündigten und angezeigten Hinflug vermittelt bekommt?
Harte Landung für fluege.de beim Amtsgericht Leipzig
Der Anwalt wählte die Klage-Route nach Leipzig, dem Geschäftssitz des Portal-Betreibers, und wies das Gericht auch auf die in der Online-Eingabemaske auftauchende Angabe des Flugvermittlers hin, wo es z. B. heißt:
„Wir kombinieren Hin- und Rückflug individuell für Sie und achten dabei auf Ihre gewünschten Flugzeiten. Für Ihren Hinflug mit Lufthansa und Ihren Rückflug mit Air-Berlin erhalten Sie jeweils ein separates E-Ticket. Dadurch sparen Sie sich jeweils doppelte Buchungen und doppelte Buchungskosten.“
Der Leipziger Online-Gigant wollte sich demgegenüber auf eine dazu widersprüchliche, zumindest aber auch missverständliche Formular-Klausel stützen, in der es heißt:
„Hiermit erkläre ich mich einverstanden, dass Hin- und Rückflug jeweils unabhängig voneinander als Einzelflug gebucht werden.“
Fluege.de wurde antragsgemäß zum Schadensersatz durch Rückzahlung sämtlicher Abbuchungen verurteilt. Nach Auffassung der Richterin trägt gerade nicht der Kunde das Risiko, dass bei den vollmundig beworbenen Vorteilen eines „Kombi-Fluges“ nur ein Flug zustande kommt und der dazu kombinierte Flug nicht. Fluege.de hat nach zutreffender Auffassung des Gerichts seine Pflichten aus dem mit dem Kunden abgeschlossenen Vermittlungsauftrag verletzt. Nach Ablauf einer vom Kunden gesetzten Frist konnte der Kunde vom Vertrag zurücktreten und die ihm bis dahin abgebuchten Flugkosten, Steuern und Gebühren zurückverlangen.
Weil fluege.de sich auf seine fragwürdigen AGB berufen wollte und freiwillig nicht zum Einlenken bereit war, durfte der beklagte Online-Flugvermittler aus Leipzig nun zusätzlich Gerichts- und Anwaltskosten tragen (Urteil AG Leipzig v. 24.06.2014, Az. 115 C 431/14) und wird zukünftig über verbraucherfreundlichere Handhabungen und Klausel-Werke nachzudenken haben.
Die beklagte Unister GmbH aus Leipzig betreibt neben fluege.de u.a. auch das Reiseportal ab-in den-urlaub.de.

Schöne Ferien und guten Flug!