Das große Interesse an und nach meinem
Beitrag über eine spannende urheberrechtliche Verhandlung vor dem Amtsgericht München veranlasst mich, aus meiner Sicht einige wesentliche Gesichtspunkte zur erfolgreichen und realistischen Abwehr von Filesharing-Abmahnungen - und von daraus abgeleiteten Klage-Ansprüchen vor Gericht - noch einmal gebündelt zusammenzufassen:
- Dramatisierenden Veröffentlichungen über vermeintlich völlig einseitige und voreingenommene Richterinnen und Richter, Beschlüsse und Urteile ist mit Vorsicht zu begegnen. Häufig werden Einzelfall-Entscheidungen mit speziellen oder unklaren oder von den Prozessbeteiligten unklar aufbereiteten Sachverhalten überinterpretiert, fehlinterpretiert oder zu Unrecht verallgemeinert. Bei Gericht hört man sich vertiefte Argumente zumeist durchaus an. Bange machen gilt nicht.
- Die in Filesharing-Abmahnungen oft propagierte, angeblich hundertprozentig sichere und unumstößliche Ermittlungslage sowie das damit korrespondierende Lamentieren der Abmahnungs-Adressaten über ein vermeintlich technisches Ausgeliefertsein der Internet-Anschlussinhaber gegenüber Rechte-Industrie und Anti-Piracy-Web-Crawlern rechtfertigen keineswegs ein zwingend negatives und unangreifbares Bild hinsichtlich des jeweiligen Einzelfalls. Über technische Komponenten und deren menschliche Bedienung, sachgerechte Auslesung, fehlerfreie Weitergabe und forensisch sichere und vollständige Speicherung und Dokumentierung lässt sich oft detailliert zweifeln, trefflich streiten und differenziert urteilen - ebenso wie über mögliche, vom Anschlussinhaber nicht zu verantwortende Fehler-, Störungs- bzw. Verletzungs-Quellen. Dazu sollten allerdings mehr als nur hilflose, pauschale und substanzarme "Schutzbehauptungen" vorgetragen werden.
- Auf der anderen Seite ersetzt der zwar oft vollmundige und aufgeblähte Inhalt von Abmahnungen häufig auch nicht den erforderlichen, ausreichend substantiierten Klage-Vortrag. Da darf der die Klageerwiderung zu verantwortende Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter des oder der Beklagten nicht jede Klage-Behauptung widerspruchslos hinnehmen, sondern muss unmissverständlich bei vielen Tatbestandsvoraussetzungen "den Finger in die Wunde legen".
- Trotz der nicht selten geringen Substanz in der Abmahnung verlangen die für die "Rechte-Inhaber" agierenden Rechtsanwälte regelmäßig vom Abmahnungsempfänger nicht nur oft unmögliche und/oder unzumutbare sachverhaltliche und technische Darlegungen unter dramatisierendem Hinweis auf eine sogenannte "sekundäre Darlegungslast"; zusätzlich möchten die Formular-Juristen auch noch gerne die Beweislast hinsichtlich der "festgestellten" Rechtsverletzung und hinsichtlich eines vermeintlichen "Verschuldens" dem Anschlussinhaber bzw. der Anschlussinhaberin zuweisen. Um eine Angabe bzw. Zitierung "eindeutig" anwendbarer gerichtlicher Entscheidungen (s.o.) ist man dabei zumeist nicht verlegen. Demgegenüber hängt die gerichtlich sorgfältig abzuwägende Verteilung der Darlegungslast und der davon zu unterscheidenden Beweislast stattdessen stets von einer Vielzahl von konkreten Umständen bzw. Indizien des jeweiligen Einzelfalls ab. Diese sind im Rahmen des prozessualen Vortrags argumentationsstark aufzuzeigen - das ist kein Durchmarsch, weder für die Kläger-, noch für die Beklagten-Seite.
- Und um keinen Zweifel daran zu lassen: Es gibt zu Recht (zu geltendem gesetzlichen Urheberrecht, über das man politisch durchaus streiten mag) auch Urteile, mit denen Filesharing-Teilnehmer zu Recht (wie gesagt, zu geltendem Urheberrecht) zu Unterlassung, Schadensersatz und/oder Kostenerstattung verurteilt worden sind - und sei es durch Versäumnisurteil (mangels prozessual erforderlicher Klageverteidigung) oder auch wegen unsachgerechter, fehlerhafter oder unvollständiger Klageerwiderung oder suboptimaler Argumentation und Verhandlung. Derartige gerichtliche Entscheidungen verdienen manches Mal eher Anwalts-Schelte als Richter-Schelte.
- Schließlich verlangt eine differenzierte Betrachtung des Themas "Tauschbörsen vor Gericht" auch eine Differenzierung hinsichtlich der jeweils geltend gemachten unterschiedlichen urheberrechtlichen Ansprüche: Wer vielleicht urheberrechtlich Unterlassung einer zukünftigen öffentlichen Zugänglichmachung oder - davon zu unterscheiden - der zurechenbaren Ermöglichung einer urheberrechtwidrigen öffentlichen Zugänglichmachung durch Dritte - beanspruchen kann, dem steht dennoch keineswegs in jedem Fall der zusätzlich geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vermeintlich entstandener Rechtsanwaltskosten zu (oder in der verlangten Höhe zu). Und der kann schon gar nicht in jedem Fall verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche (zumal in unangemessener Höhe) durchsetzen. Die Abmahnungslobby vermischt in dem Zusammenhang gerne Täter- und Störerhaftung. Auch hier heißt es manches Mal: Differenzieren und argumentieren lernen heißt siegen lernen.