Donnerstag, 21. September 2017

Das OLG Hamm ist nicht von gestern ...


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 ... und bricht einen Holzstab für flapsige Werbung zwischen Sauerland und Lipperland


Dass auch OLG-Richter durchaus im Leben stehen und frechen Werbesprüchen nicht selten gelassener begegnen als manche Richter auf den harten Holzbänken der Landgerichte, demonstrierte jüngst der Wettbewerbssenat des OLG Hamm mit einem Beschluss vom 10.08.2017 (Az. I-4 U 59/17).

Den Gegenstand der hitzigen Auseinandersetzung bildete der coole Werbeslogan eines Brennholzhändlers aus Lippe, der auf seiner Webseite mit der Aussage warb:

Denken Sie an die Umwelt! Brennholz aus dem Sauerland und dem Ausland waren gestern!!!“

Dies brannte einem Holzhändler aus dem Sauerland unter den Nägeln, da er sein Unternehmen durch diesen Slogan verunglimpft sah. Dieses stände bei Google „auf dem allerersten Platz“ und sein Brennholz würde dennoch pauschal als nicht mehr zeitgemäß herabgewürdigt. Im Übrigen würde es den Verbraucher überhaupt nicht interessieren, ob sein Brennholz tatsächlich im Sauerland geschlagen wurde oder vielleicht im Westerwald. Bei dem Werbeslogan handele es sich jedenfalls um unzulässige vergleichende und unlautere Werbung.

Nachdem das Landgericht Arnsberg (Az. I-8 O 32/17) zunächst eine einstweilige Untersagungsverfügung gegen den Slogan und zugunsten des Brennholzhandels aus dem Sauerland erlassen hatte, kam dieses hölzerne Werbeverbot nach Berufungseinlegung vor dem Oberlandesgericht in Hamm schließlich doch nicht auf einen grünen Zweig. Der sauerländische Holzhandel nahm seinen Verbotsantrag nach dem erhellenden OLG-Hinweisbeschluss in der zweiten Instanz zurück.

Auf dem Holzweg befand sich die Verfügungsklägerin nach Einschätzung der Berufungsrichter bereits mit der Einschätzung, es handele sich bei der angegriffenen Werbeaussage um eine sog. „identifizierende“ vergleichende Werbung:

„Denn hierfür müsste sie einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar erkennbar machen. Um dieses Merkmal zu erfüllen, muss eine Werbung so deutlich gegen einen oder mehrere bestimmte Mitbewerber gerichtet sein, dass sich eine Bezugnahme auf sie für die angesprochenen Verkehrskreise förmlich aufdrängt (BGH GRUR 2002, 982, 983 – DIE „STEINZEIT“ IST VORBEI!). 
Hieran fehlt es. Denn die Werbung macht unter den gegebenen Umständen mit der Aussage „Brennholz aus dem Sauerland“ die Verfügungsklägerin als ihren konkreten Wettbewerber für den Verkehr nicht ausreichend deutlich. 
Der angesprochene Verbraucher versteht die Präpositionalgruppe „aus dem Sauerland“ regelmäßig als Herkunftsangabe, und zwar bezogen auf das vorangestellte Nomen „Brennholz“. Der angesprochene Verkehr mag damit zwar – so die Ansicht der Verfügungsklägerin – nicht annehmen, dass das Brennholz im Sauerland geschlagen wurde.
Dennoch wird er allenfalls davon ausgehen, es gehe um Brennholz, das von im Sauerland ansässigen Unternehmen angeboten wird. 
Die beanstandete Werbung stellt demnach allenfalls eine pauschale Bezugnahme auf im Sauerland ansässige Anbieter von Brennholz und damit einen eben nicht ohne weiteres überschaubaren Kreis von Mitbewerbern dar. Davon, dass der angesprochene Verkehr hiermit vorrangig die Verfügungsklägerin in Verbindung bringt, kann nicht ausgegangen werden, auch wenn der Internetauftritt www. … .de bei einer entsprechenden Recherche auf der Plattform Google an erster Stelle erscheinen mag.“ 

Auf einem absteigenden Ast sah das OLG Hamm den klagenden Holzhandel aus dem Sauerland auch mit der Meinung, der beanstandete Werbeslogan sei etwa herabsetzend oder gar verunglimpfend i. S. d. § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG:

„Selbst wenn man die beanstandete Werbung noch als vergleichend i.S.d. § 6 Abs. 1 UWG erachten sollte, wäre sie jedenfalls nicht herabsetzend, geschweige denn verunglimpfend i.S.d. § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG. Der angesprochene Verkehr fasst die angegriffene Werbeaussage nicht etwa pauschal in dem Sinne auf, dass der Bezug von Brennholz der Verfügungskläger an sich „nicht mehr zeitgemäß“ sei (vgl. hierzu vor allem BGH GRUR 2002, 982, 983 – DIE „STEINZEIT“ IST VORBEI!). Es ist schon zweifelhaft, ob der Verbraucher den in der Werbung nahezu inflationär verwendeten Slogan „… war gestern“ überhaupt im Sinne einer Sachaussage versteht. Selbst wenn dies so sein sollte, wird er ihm unter den gegebenen Umständen jedoch allenfalls entnehmen, dass er mit dem gegebenenfalls für ihn ortsnahen Angebot des Verfügungsbeklagten nicht mehr – wie noch „gestern“ – auf Lieferungen aus dem benachbarten Sauerland oder gar dem Ausland angewiesen ist.“ 

Eine Holz-Abfuhr erteilte das OLG ferner einer Bewertung etwa dahingehend, dass der in Rede stehende Werbeslogan eine „gezielte Behinderung“ i. S. d. § 4 Nr. 4 UWG darstelle:

„Denn der Tatbestand § 4 Nr. 4 UWG ist nur erfüllt, wenn die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung überschritten hat. Hiervon ist erst auszugehen, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist oder wenn die Behinderung derart ist, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (…). Weder von der einen noch von der anderen Form der solchermaßen gezielten Behinderung kann vorliegend ausgegangen werden.“

Und schließlich verheizte das Berufungsgericht zu Recht auch die Vorwürfe einer vermeintlich durch den Slogan hervorgerufenen wettbewerbswidrigen Irreführung i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG bzw. einer vermeintlichen Vorenthaltung wesentlicher Informationen gem. § 5a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UWG als unbegründet:

„Der Verkehr versteht den plakativen Apell „Denken Sie an die Umwelt!“ nämlich als solchen und damit „lediglich“ als Aufforderung, sich beim Kauf von Brennholz auch Gedanken zum Umweltschutz zu machen. 
Dass es hierbei maßgeblich um den Aspekt der Umweltbelastung durch ggf. unnötig lange Transportwege geht, liegt unter den gegebenen Umständen auf der Hand und bedarf keiner weiteren Aufklärung. Die Verfügungsklägerin sah dies letztlich nicht anders, wenn sie im Ver-fügungsantrag beanstandete, dass man solche Aussagen über ein „umweltfreundliches“, da nur über kurze Distanzen transportiertes Holz nicht treffen könne. Sie hat den Verfügungsan-trag dementsprechend nicht auf § 5a UWG gestützt. 
Der normal informierte, angemessen aufmerksame und auch verständige Durchschnittsver-braucher – und auf diesen kommt es an (§ 3 Abs. 4 UWG) – geht damit auch mitnichten fälschlicherweise davon aus, der Erwerb von Brennholz bei der Verfügungsklägerin sei in jedem Fall, also völlig unabhängig von seinem eigenen Wohnort, „umweltschonender“ als der Kauf von Brennholz aus dem Sauerland oder gar dem Ausland. Sofern er sich nämlich Gedanken macht, wird er ohne weiteres erkennen, dass Umweltschutzaspekte nur dann für einen Kauf beim Verfügungsbeklagten sprechen, wenn sich hierdurch der Transportweg verkürzt.“


Der heutige Verbraucher ist eben nicht mehr „von gestern“, hat kein Brett vor dem Kopf und verbrennt sich an flapsigen und manchmal vielleicht sogar frechen Werbesprüchen keineswegs gleich die Finger; das gilt auch in Lippe und im Sauerland. Gut Holz.