Dienstag, 18. Februar 2014

Hochspannung beim BGH wegen Überspannung im Netz

Strom-Haftung für Netzbetreiber

Mit Update vom 25.02.2014 

Am Dienstag, den 25.02.2014, verhandelt der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Az. VI ZR 144/13) über Überspannung im Stromnetz und dadurch verursachte Schäden an diversen Geräten im Haushalt des elektrisierten Hauseigentümers.
Der klagende Stromkunde hat seinen Anwalt eingeschaltet und nimmt die Beklagte, die Betreiberin des örtlichen Stromnetzes, wegen der beschädigten Elektrogeräte auf Schadensersatz in Anspruch.
Das Haus des Klägers ist an das Niederspannungsnetz der Beklagten angeschlossen. Im Mai 2009 gab es eine Störung der Stromversorgung im Bereich des Klägers und der umliegenden Nachbarschaft. Erst trat ein Stromausfall und danach eine Überspannung im häuslichen Netz des Klägers auf, wodurch mehrere seiner Elektrogeräte schwer beschädigt wurden.
Das Amtsgericht Wuppertal (Az. 39 C 291/10) wies die eingeleitete Schadenersatzklage mit Urteil vom 21.02.2012 in vollem Umfang ab, was beim Beklagten einen Strom der Entrüstung auslöste.

Wechselstrom per Berufung

Demgegenüber hat das Landgericht Wuppertal (Az. 16 S 15/12) mit erhellendem Berufungsurteil vom 05.03.2013 den Argumentationsstrom gewechselt und der Klage überwiegend grünes Licht gegeben. Zwar fehle es an einem Verschulden der überspannten Netzbetreiberin, so dass deren verschuldensabhängige deliktische oder vertragliche Haftung ausgeschaltet sei. Es sei aber eine elektrische verschuldensunabhängige Haftung nach § 1 Abs. 1 des Produkthaftungsgesetzes zu beleuchten und im Ergebnis zu bejahen. Im vorliegenden Fall sei das „Produkt“ Elektrizität fehlerhaft gewesen. Die beklagte Netzbetreiberin sei auch als „Herstellerin“ des Produkts anzusehen und deshalb mit aller Stromstärke zu verurteilen.

Stromleitung nach Karlsruhe

Das war ein Stromschlag für die Netzbetreiberin. Das Landgericht hat allerdings die Revision zugelassen, mit der die Beklagte nun den Stromkreis wieder schließen und die erstinstanzlich erwirkte Klageabweisung wiederbeleben will. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu einer etwaigen Haftung der Netzbetreiberin als „Strom-Herstellerin“ nach dem Produkthaftungsgesetz wird mit Hochspannung entgegengefiebert. Die Leitungen nach Karlsruhe stehen unter Strom.

Update vom 25.02.2014: Netzbetreiber befürchten Klage-Welle  

Das mit Spannung erwartete Urteil des BGH wurde am Schluss der heutigen Verhandlung verkündet. Danach gilt gemäß aktueller Pressemitteilung aus Karlsruhe:
Die Netzbetreiberin "haftet aufgrund der verschuldensunabhängigen (Gefährdungs-) Haftung nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG. Gemäß § 2 ProdHaftG ist neben beweglichen Sachen auch Elektrizität ein Produkt im Sinne dieses Gesetzes. Die Elektrizität wies aufgrund der Überspannung einen Fehler gemäß § 3 Abs. 1 ProdHaftG auf, der die Schäden an den Elektrogeräten und der Heizung, also an üblichen Verbrauchsgeräten des Klägers, verursacht hat. Mit solchen übermäßigen Spannungsschwankungen muss der Abnehmer nicht rechnen. Die beklagte Netzbetreiberin ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG auch als Herstellerin des fehlerhaften Produkts Elektrizität anzusehen. Dies ergibt sich daraus, dass sie Transformationen auf eine andere Spannungsebene, nämlich die sogenannte Niederspannung für die Netzanschlüsse von Letztverbrauchern, vornimmt. In diesem Fall wird die Eigenschaft des Produkts Elektrizität durch den Betreiber des Stromnetzes in entscheidender Weise verändert, weil es nur nach der Transformation für den Letztverbraucher mit den üblichen Verbrauchsgeräten nutzbar ist. Ein Fehler des Produkts lag auch zu dem Zeitpunkt vor, als es in den Verkehr gebracht wurde (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG), weil ein Inverkehrbringen des Produkts Elektrizität erst mit der Lieferung des Netzbetreibers über den Netzanschluss an den Anschlussnutzer erfolgt." (Fettdruck durch den Blogger)
Die erfolgreich verklagten Stadtwerke Wuppertal rechnen nun mit einer Welle von Schadensersatzklagen für alle Netzbetreiber. Also weiterhin Hochspannung im Netz.


 

Sonntag, 9. Februar 2014

Abmahnung und Klage: Zeugnistag mit Kinder-Daten vor dem BGH

Am 03.04.2014 gibt es Zeugnisse beim Ersten Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Az. I ZR 96/13) und evtl.

„2 € für jede Eins“:

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen schickte einem Elektronik-Fachmarkt eine Abmahnung. Der Elektronikmarkt hatte in einer Zeitungsanzeige mit einer Werbeaktion geworben, bei der Schüler eine Kaufpreisermäßigung von 2 € für jede Eins auf dem Zeugnis erhielten. Laut der Anzeige sollte dafür das Originalzeugnis vorgelegt werden. Was nicht in der Annonce stand: Für den Erhalt der Ermäßigung verlangte der kreative Fachmarkt zusätzlich, das vorgelegte Zeugnis kopieren und diese Kopie bei sich behalten zu dürfen – auch eine phantasievolle Art, an interessante persönliche Daten jugendlicher Kunden heranzukommen.

Die Klage ist auf Unterlassung der angegriffenen Werbung und auf Erstattung der Abmahnkosten gerichtet.
Die Verbraucherschützer halten die Anzeige vor allem deshalb für unlauter, da die Werbeannonce die angesprochenen minderjährigen Schüler in unzulässiger Weise zum Kauf auffordere und deren geschäftliche Unerfahrenheit ausnutze.
Hilfsweise stützt der Verband die Klage darauf, dass die Werbung zudem deshalb unlauter sei, weil die Beklagte darin verschweige, dass sie das Zeugnis kopiert und speichert.
Das Landgericht Passau (Urteil vom 26.07.2012, Az. 3 O 843/11) hatte den Elektronik-Fachmarkt gemäß dem Hilfsantrag verurteilt.
Die Berufung des Elektronikmarktes vor dem OLG München (Urteil vom 06.12.2012, Az. 6 U 3496/12) hatte lediglich hinsichtlich der Abmahnkosten Erfolg. Nach Ansicht des OLG enthält die Werbung zwar eine an Kinder gerichtete Aufforderung zum Kauf. Sie verstoße aber nicht gegen die Verbotsnorm der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, weil sich der allgemeine Kaufappell nicht auf eine konkrete Ware, auf bestimmte Produkte beziehe, sondern auf das gesamte Warensortiment der Beklagten. Die Werbung übe auch keinen unangemessenen unsachlichen Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Verbraucher aus und nutze auch nicht deren geschäftliche Unerfahrenheit aus.
Die Unlauterkeit der Anzeige folge aber aus § 4 Nr. 4 UWG, da in der Werbung keine ausreichenden Angaben über die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Preisermäßigung enthalten seien. Hieran fehle es, weil die Beklagte nicht angegeben habe, dass sie von dem vorzulegenden Zeugnis Kopien für ihre Unterlagen fertige.
Das OLG München hat die Revision zugelassen. Die Verbraucherschützer streben die Verurteilung des Elektronik-Fachmarktes entsprechend der Abmahnung und des Hauptantrages an.
Mal schauen, ob der BGH der Reklame zum Zeugnistag eine „Eins“ gibt oder ob diese unmittelbar an Minderjährige gerichtete Kauf-Einladung sowie die sich daran anschließende Daten-Sammlung in der mündlichen Verhandlung am 03. April 2014 als unlauterer „April-Scherz“ eine höchstrichterliche Abmahnung erhält.