Mittwoch, 27. Juni 2012

Einbahnstraße in die Abmahnung - Über Filesharing-Verkehr beim Amtsgericht München

Teil 1:

Auto-Routen und WLAN-Router - Halterhaftung und Störerhaftung bei Filesharing


Ein sommerlicher Tag in München, auch an der Pacellistraße 5, in der 8. Etage des Justizgebäudes. Das Bayerische Amtsgericht tagt:

Amtsgericht München Pacellistraße
Keine krachlederne Verhandlungsführung - nein, eine von erkennbarer Aktenkenntnis des promovierten Richters geprägte Einführung in den Sach- und Streitstand. Es geht um die Filesharing-Abmahnung von drei (Hör-)Buch-Verlagen, aus denen mittlerweile zwei Verlagskonzerne geworden sind. Diese fordern Schadensersatz und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnungskosten vom Beklagten, der auf der Basis angeblicher Recherche-Ergebnisse aus dem Jahre 2007 der Verletzung von Urheberrechten per Online-Tauschbörse verdächtigt wird.

Der Verkehrsfunk von Radio Arabella hatte im Taxi vom Münchener Flughafen in diePacellistraße eine freie Fahrt und keine Verkehrsstörungen vorhergesagt. Und so war es auch. Bis zur pünktlichen Ankunft bei Gericht.

Die sehr konzentrierte richterliche Zusammenfassung der  zuvor schriftsätzlich anwaltlich gewechselten Standpunkte erfolgte in einer bewundernswerten gerichtlichen Sprech-Geschwindigkeit, die - gefühlt - die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften deutlich überschritten hat. Wäre der Beklagte nicht zuvor eingehend von seinem Anwalt über alle relevanten materiell-rechtlichen und verfahrens-rechtlichen (das hat manchmal auch mit "sich verfahren" zu tun ;-) Gesichtspunkte eingehend unterrichtet worden, hätte der juristische Laie der Verhandlung wohl kaum folgen können - weder zu Fuß, noch mit dem Auto. Für den Verhandlungstermin nach über 100 anwaltlichen Schriftsatzseiten (zzgl. umfangreicher Anlagen) waren allerdings auch nur 30 Minuten angesetzt. Das erwies sich als knapp bemessen. Aber zunächst einmal Schluss mit dem Thema "Raserei" in "Zone 30".


Auf konkretere Sachverhalt-Details wird evtl. zu späterer Zeit einzugehen sein. Hier im ersten Teil dieser Filesharing-Verkehrs-Glosse soll es zunächst um einen Gesichtspunkt gehen:

Die Halterhaftung für Autos.

Das Gericht führte - wie in München insbesondere bei Filesharing-Verfahren (nomen est omen, s.o.) bewährt - intensive Vergleichsgespräche, woran grundsätzlich natürlich nichts auszusetzen ist. Die Mandanten sollten auch prozess-ökonomische Überlegungen nie außer Acht lassen und es ist eine der vornehmsten Aufgaben des Gerichts, gerade in der Güteverhandlung den Versuch der einverständlichen Lösung einer evtl. verfahrenen (!) Streit-Situation zu unternehmen.

Im hier betroffenen Streit um Täterhaftung und Störerhaftung beim vermeintlichen Filersharing-Verkehr wagte das Gericht allerdings eine Vergleichs-Förderung und -Forderung mit einem - nach eigenen Worten - "laienhaften" Vergleich, und zwar einem Vergleich vom Halter eines Autos mit dem Inhaber eines Internetanschlusses: Das sei schließlich "wie beim Auto". Wenn der Beklagte sein Auto von einem Anderen im Straßenverkehr benutzen lasse, müsse er als Halter schließlich auch haften, wenn mit dem Auto ein Schaden verursacht würde, auch wenn er selbst nicht gefahren ist.

Das diese Beispiel nicht nur ein schlechtes, sondern ein sehr schlechtes Beispiel zur Darlegung bzw. Begründung der Störerhaftung ist, wurde selbstverständlich anwaltlich sofort unmissverständlich vorgetragen - unter anderem unter Hinweis darauf, dass es für Internetanschlüsse (noch) keine Halterhaftung gem. StVG oder gem. anderer gesetzlicher Vorschriften gibt. Entlarvend für eine unangemessene Ausweitung des richterlich entwickelten Rechtsinstituts der Störerhaftung ist das unglückliche oder verunglückte Beispiel allemal. Die Prozessbevollmächtigten der klagenden Verlage waren übrigens wieder mal zu zweit erschienen, praktisch mit "Beifahrer".

Und demnächst im zweiten Teil der Filesharing-Verkehrs-Glosse:

Der Beweislast(er)-Schwerverkehr

Fortsetzung folgt.