Samstag, 31. März 2012

Flyer der Musik-, Film- und Buch-Branche "überfliegt" wesentliche Aspekte über Filesharing, Streaming, Blogs, Abmahnungen und Strafverfahren

Ein sich insbesondere an Eltern und Lehrer wendender urheberrechtlicher "Leitfaden" der Rechte-Industrie zum Down- und Upload im Internet sorgt aktuell für Aufmerksamkeit ... und Kritik. Sein Titel:

"LEGAL, SICHER UND FAIR
Nutzung von Musik, Filmen und Büchern aus dem Internet 
Ein Leitfaden für Eltern und Lehrer"

Unbeschadet des unbestreitbaren Rechtes auch der Content- und Abmahnungs-Lobby, ihre Interessen und ihre Meinung zu vertreten - hier nur die bereits bei erster Durchsicht sich m. E. aufdrängenden Kritikpunkte:

  • Der oft missbrauchte und ebenso falsche angebliche Rechtssatz "Eltern haften für ihre Kinder" wird dramatisierend eingesetzt.
  • Tauschbörsen- bzw. Filesharing-Systeme werden ohne ausreichende Differenzierung verteufelt und mit Abofallen, Viren und Trojanern in einen Topf "geworfen".
  • Die überwiegend urheberrechtlich als zulässig eingeordnete Nutzung von Streaming-Portalen wird recht einseitig mit juristischer Mindermeinung kriminalisiert.
  • Blogs und Blogger werden in gefährlicher (oder "geschickter"?) Manier undifferenziert diskreditiert als Produzenten unzulässiger Links.
  • Es wird massiv und undifferenziert die Angst vor Abmahnungen und Strafverfahren geschürt, ohne in verantwortungsvoller Weise auch vor kritikwürdiger Praxis und schwarzen Schafen der Abmahnungsbranche zu warnen.
  • Die Ermittlungsansätze der Abmahnungsbranche gegenüber den Inhabern von Internetanschlüssen über dynamische IP-Adressen und Zeitstempel werden unkritisch überbewertet.
  • Die Grenzen der Störerhaftung, erst recht der Schadenshaftung und auch die Grenzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast der Inhaber von Internetanschlüssen werden verschwiegen.
  • Der Begriff "Pirat" wird auf subtile Weise und doch mit recht durchsichtiger Motivation verallgemeinernder Verdächtigung ausgesetzt.

Schade. So kann man nicht wirklich von einem "fairen" und ausgewogenen Umgang mit dem  selbst vorgegebenen Thema gegenüber Eltern und Lehrern ... und Schülerinnen und Schülern ... sprechen.

Donnerstag, 29. März 2012

Playboy im Bild - Prominenz in der Presse: Abmahnung und Klage wegen "werblicher Vereinnahmung"

Am 31. Mai 2012 wird der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ( I ZR 234/10) über einen besonders spannenden medienrechtlichen Fall verhandeln. Es geht um Fragen von Pressefreiheit, Persönlichkeitsrecht, öffentlichem Informationsinteresse und werblicher Vereinnahmung.
Nach erfolgloser Abmahnung erhob der zwischenzeitlich verstorbene Gunter Sachs Klage vor der Pressekammer des Landgerichts Hamburg. Der Öffentlichkeit war er u. a. bekannt als prominenter Fotograf, Unternehmer, Kunstsammler, Buchautor und Playboy, in den sechziger Jahren Ehemann von Brigitte Bardot. 

Was war passiert?

Der beklagte Springer-Verlag hatte in der „BILD am Sonntag“-Ausgabe vom 10. August 2008 auf der letzten Seite unter der Überschrift: „Psst, nicht stören! Playboy (75) am Sonntag“ einen redaktionell aufgemachten Artikel mit drei Fotos des Klägers veröffentlicht. Die Zwischenüberschrift lautete: „Auf einer Jacht in St.-Tropez schaukelt Gunter Sachs. Bild am Sonntag ist sein Hafen“. Auf einem großflächigen Foto ist der Kläger bei der Lektüre einer Zeitung mit dem „BILD“-Symbol zu erkennen. Die Bildinnenschrift lautete:
„Gunter Sachs auf der Jacht „Lady Dracula“. Er liest BILD am SONNTAG, wie über elf Millionen andere Deutsche auch.“ 
Auch im Fließtext wurde die Lektüre des Klägers herausgestellt. Dort hieß es:  
„St.-Tropez - Als legendärer Playboy und weltberühmter Fotograf hat er ein Auge für die schönen Seiten des Lebens. Im Sommer ist St.-Tropez das Open-Air-Wohnzimmer von Gunter Sachs (75). Auch wenn seine Wohnzimmer-Couch sich in diesem Fall auf einer Jacht befindet, darf auch in Südfrankreich ein Stück Heimathafen nicht fehlen. Entspannt sitzt der Millionär im Schatten, mit Polo-Shirt und Lesebrille. Genüsslich blättert er durch die Seiten der BILD am SONNTAG. So vertieft, dass er nicht einmal Ehefrau M. (65) neben sich bemerkt. Tut uns leid, M., wir sind einfach zu verführerisch...“.
Auf Antrag des Klägers hat das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 4. Dezember 2009 (324 O 338/09) die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt,
es zu unterlassen, zu verbreiten „Psst, nicht stören! Playboy am Sonntag - Auf einer Jacht in St.-Tropez schaukelt Gunter Sachs“. 
Einen Lizenzanspruch hat das Landgericht u.a. mit folgender Begründung verneint:
"Im vorliegenden Fall hat die Beklagte dagegen gerade nicht ein Bildnis des Klägers und ihr Produkt nebeneinandergestellt, um das Interesse der Öffentlichkeit am Kläger und dessen Beliebtheit auf ihre Zeitung zu übertragen. Sie hat gerade kein beliebiges Bildnis des Klägers abdruckt um sodann einen künstlichen und willkürlichen Bezug zu ihrem Produkt zu konstruieren. Vielmehr hat sie ein Bildnis zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht, das bereits für sich genommen den Bezug zwischen dem Kläger und ihrem Produkt enthielt. Sie hat insoweit lediglich den wahren Umstand, dass der Kläger als berühmter Deutscher im Ausland die Tageszeitung Bild am Sonntag liest, zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht."
Auf die Berufung des Klägers hat das Hanseatische Oberlandesgericht mit Urteil vom 10. August 2010 (7 U 130/09) die Beklagte dann doch zusätzlich verurteilt, 
an den Kläger eine Lizenz in Höhe von 50.000 € zu zahlen. 
Das Berufungsgericht hat das Urteil damit begründet, das Persönlichkeitsrecht des Klägers habe Vorrang gegenüber dem geringen Interesse der Öffentlichkeit an der Neuigkeit, dass der Kläger auf seiner Jacht die Zeitung „Bild am Sonntag“ liest. Durch die Darstellung habe die Beklagte auch einen vermögenswerten Vorteil erlangt, der den Anspruch auf Zahlung der Lizenz begründe. In der zweitinstanzlichen Entscheidung heißt es dazu:
"Bei redaktionellen Beiträgen kommt allerdings im Regelfall weder ein Bereicherungsanspruch noch ein Schadensersatzanspruch in Betracht, da nach der Verkehrssitte für derartige Berichterstattungen kein Honorar gezahlt wird. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, angesichts der weitreichenden Kommerzialisierung des Rechts auf Schutz der Privatsphäre, wie sie etwa in der Verbreitung von Homestories zum Ausdruck kommt, die von den Betroffenen gegen Entgelt ermöglicht werden, im Falle eines Eingriffs in die Privatsphäre zugleich einen Eingriff in vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrecht zu sehen, der zu einem Lizenzanspruch führt (Götting/Schertz/Götting, Handpunkt des Persönlichkeitsrechts, §45, Rn. 4.; HH-Ko/MedienR/Wanckel, 44,43). Ob eine derartige Ausweitung von Lizenzansprüchen mit dem Recht der Presse auf freie Berichterstattung in Einklang zu bringen ist, erscheint fraglich. Zweifel ergeben sich schon deshalb, weil oftmals die Grenzen des Privatsphärenschutzes unklar sind, so dass in Zweifelsfällen die Bedrohung mit einem Anspruch auf Lizenz zu einem Einschüchterungseffekt und damit einer unangemessenen Einschränkung der Pressefreiheit führen kann. Dies kann im vorliegenden Fall jedoch dahin stehen.
Dieser ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagte mit dem offenkundig rechtswidrigen Beitrag unter Verwendung der Abbildung des Klägers in Verbindung mit dem Begleittext offen für ihr Produkt wirbt. Im Unterschied zu einer Maßnahme zur Förderung des Verkaufs einer konkreten Ausgabe eines Presseprodukts, die mit der Veröffentlichung eines unzulässigen Beitrags über das Privatleben Dritter oder mit dem unrechtmäßigen Abdruck eines Bildnisses auf der Titelseite geschieht, hat der hier in Frage stehende Artikel generell werbenden Charakter für das Produkt der Beklagten. Insofern ähnelt der in Frage stehende Beitrag inhaltlich weitgehend einer Werbeanzeige für BILD am SONNTAG.

Zwar ist für den Leser erkennbar, dass der Kläger nicht bewusst als Testimonial für die Zeitung wirbt, sondern dass es sich um ein ohne seine Einwilligung gefertigtes Paparazzi-Foto und um einen von der Redaktion gefertigten Text handelt. Ein Eingriff in die vermögensrechtlichen Aspekte des Persönlichkeitsrechts kann aber auch dann vorliegen, wenn der Abgebildete nicht als Testimonial fungiert, wenn aber durch das unmittelbare Nebeneinander der Ware und des Abgebildeten das Interesse der Öffentlichkeit an der Person und deren Beliebtheit auf die Ware übertragen wird, weil der Betrachter eine gedankliche Verbindung zwischen dem Abgebildeten und dem beworbenen Produkt herstellt, der zu einem Imagetransfer führt (BGH AfP 2009, 485; BGH AfP 2010, 237ff). Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen, wobei die werbliche Vereinnahmung des Klägers deshalb besonders schwer wiegt, weil sie im Zentrum der Berichterstattung steht. Die Lektüre der BILD am SONNTAG durch den Kläger ist die einzige aktuelle Information, die sich dem Text entnehmen lässt, während die übrigen Informationen erkennbar allein den Zweck verfolgen, zur Vergrößerung seines Werbewertes die Person des Klägers näher zu bezeichnen. Die Bezeichnung des Klägers als „Playboy und weltberühmter Fotograf“ sowie die Erwähnung seiner dreijährigen Ehe mit B. B. hat lediglich zum Ziel, die aktuelle sowie die in der Vergangenheit liegende Prominenz des Klägers ins Gedächtnis zu rufen bzw. – insbesondere der jüngeren Generation – die frühere Bekanntheit des Klägers zu vermitteln, um seine Werbewirksamkeit zu steigern. Die im Zentrum stehende Mitteilung, dass der Kläger die BILD am SONNTAG in St. Tropez lese, hat keinen Nachrichtenwert mit Orientierungsfunktion im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte. Vielmehr stellen der Text und die Abbildung des Klägers in der Mitte der Seite ganz überwiegend Instrumente der Werbung für die Zeitung dar."

Auf Antrag des Verlages hat der BGH die Revision zugelassen. Der 1. Zivilsenat wird sich vertieft mit dem Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht sowie Recht am eigenen Bild, öffentlichem Informationsinteresse und geschützter Privatsphäre, redaktioneller journalistischer Berichterstattung und einwilligungsloser werblicher Vereinnahmung zu befassen haben. Keine leichte Aufgabe, wenn das Ergebnis und seine Begründung nachhaltig überzeugen sollen.

Mittwoch, 28. März 2012

Polizeiliches Fotografier-Verbot verstößt gegen Pressefreiheit - SEK-Einsatz als Ereignis der Zeitgeschichte i. S. d. § 23 KUG

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 28.03.2012 ein wegweisendes Urteil (Az. 6 C 12.11) für Journalisten und Fotografen gefällt und ein von der Polizei gegenüber einem Pressefotografen ausgesprochenes Verbot, Polizeibeamte eines Spezialeinsatzkommandos während eines Einsatzes zu fotografieren, für rechtswidrig erklärt.

Im 16.03.2007 waren SEK-Beamte im Rahmen eines Gefangenentransports damit befasst, einen der gewerbsmäßigen Geldwäsche beschuldigten mutmaßlichen Sicherheitschef einer Gruppe organisierter Kriminalität aus der Untersuchungshaft in einer Augenarztpraxis in der Fußgängerzone in Schwäbisch Hall vorzuführen. Der Einsatz wurde von zwei Journalisten, darunter einem Fotoreporter, beobachtet. Der Fotoreporter beabsichtigte, Bilder von den Dienstfahrzeugen und den eingesetzten Beamten anzufertigen. Der SEK-Einsatzleiter sprach daraufhin sofort vor Ort ein Fotografier-Verbot aus und drohte die Beschlagnahme der Fotokamera an, weshalb der Reporter davon absah, Bilder vom Einsatz anzufertigen.

Der Zeitungsverlag erhob nach unbefriedigender außergerichtlicher Korrespondenz mit dem Leiter des Bereitschaftspolizeipräsidiums Feststellungs-Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart, das mit Urteil vom 18.12.2008 (Az. 1 K 5415/07) den Journalisten unter Hinweis auf Gefahr für Leib und Leben der Polizeibeamten kein Recht gab. Das beklagte Land rechtfertigte das auf §§ 1, 3 PolG gestützte Verbot unter anderem damit, dass die eingesetzten SEK-Beamten durch eine Zeitungsveröffentlichung von Bildmaterial hätten enttarnt werden können. Damit hätte ihre künftige Verwendbarkeit bei SEK-Einsetzen beeinträchtigt und sie selbst hätten persönlich durch Racheakte gefährdet werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim erklärte mit Urteil vom 19.08.2010 (Az. 1 S 2266/09) auf die Berufung des Zeitungsverlags das polizeiliche Fotografier-Verbot für rechtswidrig.

Die Gefahr einer unzulässigen Veröffentlichung der angefertigten Fotografien habe nicht bestanden. Mangels gegenteiliger konkreter Anhaltspunkte sei von einer Vermutung rechtstreuen Verhaltens der Journalisten und damit davon auszugehen, dass sie keine identifizierenden Porträt- oder  Nahaufnahmen der eingesetzten Polizisten und lediglich Bilder veröffentlichen werden, auf denen die SEK-Beamten insbesondere durch Verpixelung ihrer Gesichter unkenntlich gemacht seien.

Die hiergegen gerichtete Revision des Landes Baden-Württemberg wurde vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.

  • Es war nach höchstrichterlicher Bewertung nicht das mildeste Mittel und damit unverhältnismäßig, bereits das Anfertigen der Fotografien polizeilich zu verbieten. 
  • Der Einsatz von Polizeibeamten bzw. ein Einsatz von SEK-Kräften stellt ein zeitgeschichtliches Ereignis i. S. d. des Kunsturhebergesetzes (§ 23 KUG) dar, so dass Bilder auch ohne Einwilligung der abgelichteten Personen veröffentlicht werden durften. 
  • Ein entgegenstehendes berechtigtes Interesse der eingesetzten Polizisten wird erst dann verletzt, wenn die Fotos ohne den erforderlichen Schutz gegen eine Enttarnung der Beamten veröffentlicht werden. 
  • Zur Abwendung dieser Gefahr bedarf es aber regelmäßig keines Fotografier-Verbots, wenn zwischen der Anfertigung der Fotografien und ihrer Veröffentlichung hinreichend Zeit besteht, den Standpunkt der Polizei auf andere, die Pressefreiheit stärker wahrende Weise durchzusetzen.

Montag, 19. März 2012

Abmahnung und Klage vom Pelikan: Wie und wie weit reichen das Markenrecht und weitere Schutzrechte?

Schnell ist man Adressat einer Abmahnung - und dennoch gar nicht so leicht ist die gerichtsfeste Geltendmachung von Markenrecht, Kennzeichenrecht, Firmenrecht oder Domainrecht ... oder gar mehrerer dieser Schutzrechte.


Der Erste Zivilsenat des BGH (Az. I ZR 86/10) verhandelt am 19. April 2012 über die "Musikschule Pelikan"

Die VII. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld hatte mit Urteil vom 9. September 2009 zum Az. 16 O 52/09 der auf  Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz gerichteten Klage der Pelikan Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG, einer der größten Papier-, Büro- und Schreibwarenhersteller in Deutschland, stattgegeben. 

Das erstinstanzliche Urteil lautet:


Den Beklagten wird es untersagt,
im geschäftlichen Verkehr das Zeichen "Pelikan" in Alleinstellung und/oder als Bestandteil eines kombinierten Zeichens, insbesondere als "Musikschule Pelikan", als geschäftliche Bezeichnung einer Musikschule und/oder als Zeichen für Dienstleistungen einer Musikschule zu benutzen;
im geschäftlichen Verkehr das Zeichen "Pelikan" als Domainnamen anzumelden und/oder zu benutzen, insbesondere in Form des Domainnamens "musikschulepelikan.de".
Ihnen wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei das einzelne Ordnungsgeld den Betrag von 250.000,00 €, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Handlungen gemäß Ziffer 1. entstanden ist und noch entstehen wird, soweit diese Handlungen ab dem 11.01.2005 erfolgten.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Handlungen gemäß Ziffer 1. entstanden ist und noch entstehen wird, soweit diese Handlungen vor dem 11.01.2005 erfolgten.
Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft über die von der Beklagten seit deren Bestehen erzielten Umsätze zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses, in dem die Umsätze monatlich, nach dem jeweils tätigen Musiklehrer geordnet, aufgeführt sind.


Der 4. Zivilsenat des OLG Hamm hat auf die Berufung hin den Inhabern der privaten Musikschule Recht gegeben und die Klage abgewiesen - mit Urteil vom 23. März 2010 zum Aktenzeichen I-4 U 175/09.  

Der Bundesgerichtshof hat die Revision auf entsprechenden Antrag der Klägerin hin zugelassen.



Die Klägerin ist Inhaberin zahlreicher Marken, die den Wortbestandteil „Pelikan“ oder die Abbildung eines Pelikans enthalten. Dazu gehört auch die mit Priorität vom 28. November 1942 eingetragenen Wortmarke „Pelikan“. Diese ist u.a. für Lehrmittel eingetragen.

Die Beklagten betreiben in Minden eine im Januar 2004 ins Handelsregister eingetragene private Musikschule unter der Bezeichnung „Musikschule Pelikan GmbH“, in der Instrumental- und Gesangsunterricht angeboten wird. Ferner betreiben die Beklagten unter dem Domainnamen „www.musikschule-pelikan.de“ eine Internetseite.

Die Klägerin macht geltend, dass sie seit längerer Zeit auch Unterrichtshilfen für Lehrer im Grundschulbereich anbietet. Die Klägerin unterhält zudem seit mehreren Jahren im Internet unter der Adresse www.pelikanlehrerinfo.de auch ein Onlineangebot. Sie stützt ihre Abmahnung sowie die nachfolgende Klage auf eine nach ihrer Auffassung vorliegende Verletzung ihrer Marken und ihres Unternehmenskennzeichens.

Das Berufungsgericht hält den Klageantrag in mehrfacher Hinsicht für zu unbestimmt. Außerdem bestehe zwischen den von der Klägerin vertriebenen Waren und den von den Beklagten erbrachten Dienstleistungen keine ausreichende Ähnlichkeit. Ansprüche aufgrund des Unternehmenskennzeichens scheiterten an der vollständigen Branchenunähnlichkeit.

Der BGH wird sich eingehend mit den prozessualen, formalen und materiellen Voraussetzungen der Geltendmachung unterschiedlicher Schutzrechte (Markenrecht, Kennzeichenrecht, Firmenrecht, Domainrecht) zu befassen haben wie auch mit Fragen nach der gerichtlichen Hinweispflicht gem. § 139 ZPO. So begrüßenswert die kritischen und anspruchsvollen Anforderungen des OLG Hamm an die Geltendmachung von Schutzrechten sind, so bedenklich ist andererseits die nach dem Inhalt des Berufungsurteils wohl allenfalls "zurückhaltend" ausgeübte richterliche Hinweispraxis. Wenn das Verfahren vom BGH man nicht wieder an das OLG zurückverwiesen wird ... mit noch länger andauernder Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten.

Freitag, 2. März 2012

EuGH-Urteil: Kein Urheberrecht an Spielplänen von Fußball-Meisterschaften


Rote Karte und Schwarzer Peter für "Rechteverwertung" mit Spielplänen von Fußball-Meisterschaften. Eine europäische Abmahnung an die Fußball-Verbände.

Bereits im Jahr 2011 wurde die Frage diskutiert, ob die Deutsche Fußball Liga (DFL) ein Urheberrecht an den Bundesliga-Spielplänen hat? Yahoo streitet sich seit längerem mit britischen Fußball-Verbänden um deren vermeintliche Urheberrechte im Zusammenhang mit der Erstellung der Spielpläne für die Begegnungen der englischen und der schottischen Fußballmeisterschaft.

Dem Europäischen Gerichtshof wurden in dem Zusammenhang mehrere - schwer lesbare (sorry) aber zielführende - Fragen vorgelegt: 

1. Wie ist der Ausdruck „Datenbanken, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/9 zu verstehen, insbesondere:
   a) Sind die geistigen Anstrengungen und die Sachkenntnis, die die Erzeugung von Daten voraussetzt, auszuschließen,
   b) beinhaltet die „Auswahl oder Anordnung“, dass den bereits vorhandenen Daten eine wesentliche Bedeutung hinzugefügt wird (wie bei der Festlegung des Datums einer Fußballbegegnung), und
   c) erfordert die „eigene geistige Schöpfung des Urhebers“ mehr als einen bedeutenden Arbeitsaufwand und bedeutende Sachkenntnis des Urhebers, und wenn ja, was?
2. Schließt die Richtlinie 96/9 nationale Urheberrechte an Datenbanken, die in der Richtlinie nicht vorgesehen sind, aus?

Das höchste europäische Gericht erteilte den Fußball-Ligen im Rahmen der Beantwortung der vorgenannten Fragestellungen eine klare "Abmahnung" und Absage.


1. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken ist dahin auszulegen, dass eine „Datenbank“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie durch das in dieser vorgesehene Urheberrecht geschützt wird, sofern die Auswahl oder Anordnung der in der Datenbank enthaltenen Daten einen eigenständigen Ausdruck der schöpferischen Freiheit ihres Urhebers darstellt, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist.

Folglich
  • sind die geistigen Anstrengungen und die Sachkenntnis, die für die Erzeugung der Daten aufgewandt wurden, unerheblich für die Feststellung, ob die Datenbank für den Schutz durch dieses Recht in Betracht kommt,
  • ist es hierfür gleichgültig, ob die Auswahl oder Anordnung der Daten beinhaltet, dass diesen eine „wesentliche Bedeutung hinzugefügt“ wird, und
  • können der bedeutende Arbeitsaufwand und die bedeutende Sachkenntnis, die für die Erstellung der Datenbank erforderlich waren, als solche einen derartigen Schutz nicht rechtfertigen, wenn durch sie keinerlei Originalität bei der Auswahl oder Anordnung der in der Datenbank enthaltenen Daten zum Ausdruck kommt.
2. Die Richtlinie 96/9 ist dahin auszulegen, dass sie unter dem Vorbehalt der Übergangsbestimmung ihres Art. 14 Abs. 2 nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, durch die Datenbanken, die unter die Definition des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie fallen, unter anderen Voraussetzungen als denen des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie urheberrechtlicher Schutz gewährt wird. 

Eine ausreichende eigene geistige Schöpfung wird hinsichtlich der Spielpläne und -Datenbanken vom EuGH also verneint. Damit wird aus meiner Sicht auch das übertriebene Spiel mit angeblich monopolisierbaren und massiv monetär verwertbaren Bundesliga-Spielplänen abgepfiffen. Der Trend, aus jedem öffentlich zugänglichen Inhalt als "Rechteverwerter" Lizenzen und damit Geld unter Berufung auf "geistiges Eigentum" bzw. Urheberrecht zu generieren, verdient nicht selten kritische Überprüfung und manchmal eben auch die Rote Karte und den Schwarzen Peter. Die aktuelle EuGH-Entscheidung hat die Karten m. E. richtig gemischt und ausgeteilt.

Donnerstag, 1. März 2012

Kein Bielefelder "Pudding-Mono-Paula": Landgericht verneint Verletzung von Geschmacksmuster und Verstoß gegen Wettbewerbsrecht

Hunde geben keine Milch. Weiterhin fleckiger Aldi-Schoko-Vanille-Pudding in Europa. Am 01. März 2012 hat die Zivilkammer 14c des Landgerichts Düsseldorf (Aktenzeichen 14c O 302/11) einen auf ein Verkaufsverbot gegen die Aldi Einkauf GmbH & Co. OHG gerichteten Eilantrag der Dr. Oetker KG aus Bielefeld zurückgewiesen.

Das Gericht verneinte eine Verletzung des vom Bielefelder Pudding-Produzenten eingetragenen europäischen Gemeinschaftsgeschmacksmusters, da sich zwischen dem vor ca. sieben Jahren eingetragenen Geschmacksmuster und dem Konkurrenz-Pudding von Aldi kein übereinstimmender Gesamteindruck ergebe. Die Gestaltungsunterschiede zwischen Aldis Flecki und Dr. Oetkers Paula seien ausreichend. Zwar sei  Flecki in der Seitenansicht ähnlich gefleckt wie Paula, in der Draufsicht jedoch nahezu einfarbig und damit vom eingetragenen Geschmacksmuster deutlich abweichend.

Ferner verneinte das Landgericht Düsseldorf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung oder eine Rufausbeutung lägen nicht vor. Die kuhfellähnliche Gestaltung der Vanille- und Schoko-Anteile im Dr. Oetker-Pudding bedeute zwar eine innovative Produkt-Neuheit mit großer Bekanntheit und hoher wettbewerblicher Eigenart. Das Markt- und Werbeverhalten von Flecki finde aber nicht in unlauterer Weise statt und sei deshalb wettbewersrechtlich erlaubt. Zudem sei alles Erforderliche getan worden, eine etwaige Herkunftstäuschung zu Lasten von Paula zu vermeiden. Hierzu gehören insbesondere eine abweichende Gestaltung und Abgrenzung der Flecken, andere Verpackungseinheiten und eine unterschiedliche Aufmachung und Verpackung mit unterschiedlichen Kuh-Darstellungen. Flecki ist z. B. eine recht magere, weiße Kuh mit Kuhglocke, die vor einem Bauernhof vom Rand her ins Bild schaut, während Paula kräftiger und cool mit einer Sonnenbrille im Mittelpunkt steht - bei unterschiedlicher Blickrichtung.

Die Richterin scheiterte mt einem Vergleichsvorschlag: Sie fragte, ob man nicht Flecki in einen Dalmatiner verwandeln könne. Der Rechtsanwalt der Beklagten wies schlagfertig - und zu Recht - darauf hin, dass Hunde keine Milch geben. Also kein Monopol für Paula aus Bielefeld.

Update 27.05.2012: Ein Sprecher des Oetker-Konzerns teilte mit, dass man gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf Berufung beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt hat und die Unterlassungs- und Auskunftsansprüche weiterverfolge. Der Kampf um ein Flecken-Monopol geht also weiter.