Freitag, 23. Dezember 2011

Urheberrecht und Geld: Fragen an das Geschäftsmodell "Filesharing-Abmahnung" ... und an den BGH

Es ist keine Schande, mit seinen Werken (Kunst, Musik, Film, Literatur, Wissenschaft ...) oder mit seiner Profession (Online-Ermittler oder -Ermittlerin, Rechte-Verwerterin oder -Verwerter, Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt, Richterin oder Richter ... ) Geld zu verdienen oder zu erwirtschaften.

In zwar kreative, aber dennoch tatsächlich und rechtlich nicht hinnehmbare Geldschneiderei artet dies allerdings aus, wenn Schöpfer und/oder tatsächliche oder vermeintliche Rechteinhaber und/oder Recherche-Unternehmen und/oder Anwaltskanzleien und/oder Justizbehörden ein subtiles und ausuferndes Geschäftsmodell konstruieren und pflegen, das faire Darstellungen, angemessene Bewertungen und verhältnismäßige Vorgehens- und Verfahrensweisen in vielen Fällen vermissen lässt.

Wo massenhaft Urheberrechte verletzt werden dürfen grundsätzlich auch massenhaft urheberrechtliche (nicht wettbewerbsrechtliche, § 8 Abs. 4 UWG!) Abmahnungen auf den Weg gebracht werden.

Aber:


  • Warum werden zweifelhafte isolierte "Rechte" zur Verwertung von Musik- oder Filmwerken in P2P-Systemen bzw. Online-Tauschbörsen allein zu dem Zweck lizenziert, dem Lizenznehmer das Generieren von Abmahnungserlösen zu ermöglichen?

  • Warum erzielen einige "Rechteinhaber" mehr Geld mit Abmahnungen als mit den den Abmahnungen zugrundeliegenden "Werken"?

  • Warum gibt es Anwälte, die in den Abmahnungen angebliche Kostenerstattungsansprüche vorspiegeln, die - zumindest in der angegebenen Höhe - tatsächlich den Abmahnenden gar nicht in Rechnung gestellt werden und lediglich der fingierten Forderungsbegründung gegenüber dem Abmahnungsadressaten dienen?

  • Warum werden in vielen Filesharing-Abmahnungen völlig überhöhte und unrealistische Schadensbeträge beziffert - unter unverhältnismäßiger und dramatisierender Fehlinterpretation der Grundsätze der Lizenzanalogie?


  • Warum machen viele Abmahner aus der in ihren Ausprägungen ohnehin recht umstrittenen Störerhaftung desjenigen, der einen Internetanschluss nicht angemessen und zumutbar sichert und überwacht, ohne gesetzliche Grundlage eine quasi angeblich generell einschlägige "Halterhaftung für Internetanschlüsse"? 

  • Warum ignorieren viele Abmahner die tatsächliche und rechtliche Sondersituation bei Hotspots?

  • Warum versuchen viele Abmahn-Kanzleien, die Unterschiede zwischen der - ebenfalls in ihren Ausprägungen umstrittenen - sekundären Darlegungs- und Beweispflicht zu ignorieren und zudem damit eine vermeintlich primäre Darlegungs- und Beweislast des Abgemahnten vorzutäuschen?


  • Warum arbeitet die Abmahnungsbranche z. T. mit bewussten Einschüchterungen und fragwürdigem Psychostress (z. B. mit Platzierung der Abmahnungspost zum Wochende, mit kurzen Fristsetzungen, mit aus dem Zusammenhang gerissenen und/oder veralteten Urteilszitaten, mit unverständlicher Fachterminologie, wiederholten und unrealistischen Drohkulissen etc.)?


  • Warum wird diese Praxis von einigen Gerichten (insbesondere unterer Instanzen, wobei allerdings auch höchstrichterliche Rechtsprechung manchmal nicht weniger kritikwürdig ist) verkannt oder sogar mitgetragen, insbesondere wenn der oder die Abgemahnte ohne anwaltliche Verstärkung den prozessualen Hürden und Fallen (Sach- und Rechtsvortrag, Substantiierungspflicht, Beweisanträge, Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel etc.) hilflos ausgesetzt ist?

Es wird höchste Zeit, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung sich tatsächlich, technisch und rechtlich vertiefter mit dem Geschäftsmodell Filesharing-Abmahnung befasst, nachdem mit dem WLAN-Urteil des I. Zivilsenats des BGH vom 12.05.2010 (I ZR 128/08) die bei Filesharing-Abmahnungen berührten Problemfelder nur fragmentarisch angegangenen worden sind.