Samstag, 28. Mai 2011

Urteil der Pressekammer: Landgericht Hamburg will Unterlassung - Kein STERN für BUNTE Recherche

Wie unterschiedlich doch die Betrachtungen und Gewichtungen zur gestrigen Entscheidung der hanseatischen Ersten Instanz (der 24. Zivilkammer) sein können: Dies zeigen die aktuellen Berichterstattungen bzw. Kommentierungen durch Journalisten und Medien-Anwälte (wobei der Kollege Rechtsanwalt Prof. Schweizer als Prozessvertreter auf Kläger-Seite (Burda-Verlag) naturgemäß parteiisch sein darf und muss und für Montagnachmittag eine Veröffentlichung des Urteils angekündigt hat).

Den Hintergrund des Streits bildet ein Artikel des STERN, in dem im Frühjahr 2010 darüber berichtet wurde, dass die BUNTE  - mit Hilfe der Bild-Agentur CMK - bekannte Politiker und ihr Privatleben ausspioniert. Der SPD-Politiker Franz Müntefering hatte bereits im letzten Jahr unter Berufung auf unzumutbare Spitzelmethoden Beschwerde beim Deutschen Presserat eingelegt, der das Verfahren allerdings mangels ausreichender Beweise einstellte.

Die BUNTE widersprach auch vor dem Landgericht Hamburg den Vorwürfen: Bilder von Politikern würden zwar in Auftrag gegeben, von angeblich unlauteren Recherchemethoden habe man allerdings nichts gewusst.

Die Hamburger Richter haben nun erstinstanzlich dem STERN seine kritische Berichterstattung über die Spitzelaffäre verboten - maßgeblich wohl deshalb, weil ohne Nachweis der Eindruck erweckt worden sei, die Redaktion der BUNTE habe von den Spitzel-Methoden gewusst. 

Rechtsanwalt Kompa bewertet das Unterlassungs-Urteil und das Verfahren gegen Gruner + Jahr unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Pressefreiheit offensichtlich eher als bedauerlich und "seltsam".

Distanziert und kritisch betrachtet die FAZ die streitgegenständlichen Recherche-Methoden der vom Burda-Verlag eingesetzten Bild-Agentur CMK. Die BUNTE hat vor Gericht bestritten, von den unlauteren Spitzel-Ausspähungen gewusst zu haben. Gegenteiliges konnte vor der Pressekammer - so die Richter - nicht nachgewiesen werden.

Die Süddeutsche Zeitung setzt sich mit den Gefahren des Boulevard-Journalismus für die Privatsphäre bzw. Intimsphäre prominenter Politiker auseinander (im konkreten Fall ging es - wie erwähnt - unter Anderem um SPD-Urgestein Franz Müntefering) und betont, dass auch nach Einschätzung des Deutschen Presserats "Redaktionen, die Dritte mit Recherche-Aufgaben beauftragen, dabei grundsätzlich die Verantwortung für die Einhaltung des Pressekodex übernehmen".

Andres Lehmann, Chefredakteur des Hamburger Online-Magazins quaeng, scheint sich - wenn nicht "diebisch", dann doch mehr oder weniger (un)heimlich - über den eher papiernen Presse-Rechts-Streit zu amüsieren und überlässt dem Leser die Medien-Wahl.

Und ich werde eine vertieftere Bewertung des Streitstoffes erst dann vornehmen, wenn das vollständige Urteil der unter dem Vorsitz von Herrn Buske entscheidenden Pressekammer veröffentlicht ist.

Ich befürchte allerdings, dass die Entscheidung meinem Verständnis von Pressefreiheit nicht gerecht wird.