Montag, 26. April 2010

Das Urheberrecht der Künstlerin und die Thumbnails von Google

BGH - Verkündungstermin am 29.04.2010 (I ZR 69/08)
LG Erfurt , 15.03.2007 (3 O 1108/05)  /  Thüringisches OLG, 27.02.2008 (2 U 319/07)
 
Eine bildende Künstlerin und Klägerin hat auf ihrer Website mehrere ihrer Bilder mit Copyrightvermerk veröffentlicht. Google, die Beklagte, zeigt über eine textgestützte Bildsuchfunktion in der Trefferliste die fraglichen Bilder in verkleinerter und komprimierter Form als sogenannte Thumbnails (auf Servern in den USA gespeicherte Miniaturansichten der Bilder). 

Die Klägerin beansprucht die Unterlassung der Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung ihrer Bilder über die Internet-Suchmaschine der Beklagten sowie ein Verbot der Umgestaltung ihrer Bilder in Thumbnails. 

Das Landgericht Erfurt und das OLG in Jena haben die Klage abgewiesen (GRUR-RR 2008, 223). 

Google verletze zwar grundsätzlich die Urheberrechte der Künstlerin gemäß § 23 UrhG. Die von Google erstellten und in der Trefferliste veröffentlichten Thumbnails seien auch unzulässige Umgestaltungen der Bildwerke. Allerdings verstoße die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Künstlerin gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und sei rechtsmissbräuchlich gemäß § 242 BGB. Dies wird damit begründet, dass die Künstlerin eine Suchmaschinenoptimierung mit im Quellcode versteckten, gezielt ausgesuchten Suchworten vorgenommen habe, den Zugriff von Suchrobotern nicht blockiert habe und so zu erkennen gäbe, dass sie eigentlich am Zugriff durch die Suchmaschine interessiert sei. Dies sei im Verhältnis zum Klagebegehren als widersprüchliches Verhalten zu bewerten. 

Das ist bei sonst stringenter gerichtlicher Bejahung aller tatbestandlichen Voraussetzungen für urherrrechtliche Ansprüche der Künstlerin und bei klarer Verneinung von Rechtfertigungsgründen oder etwaig eingreifenden gesetzlichen Schranken ein dünner Faden, an dem die streitgegenständliche Thumbnail-Praxis von Google hängt.

Verhandlungstermin vor dem 1. Zivilsenat war am 10.12.2009. Der BGH verkündet seine Entscheidung am 29.04.2010. Vielleicht finden die Revisionsrichter noch neue Betrachtungswinkel auf die Trefferlisten und Thumbnails.

Samstag, 24. April 2010

Der Mai wird kommen und die Hotspots schlagen aus. Blühende Phantasien zum anstehenden Filesharing-W-LAN-Urteil des BGH und zum Wetter.

Am 12. Mai 2010 wird der Bundesgerichtshof (I ZR 121/08) vielleicht alle Blütenträume der Abmahnungs-Zunft oder stattdessen eine Bombe zu Lasten aller Hotspots in Hotels, Service-Einrichtungen, Flughäfen oder Cocktail-Bars platzen lassen. Die Angst vor Filesharing-Abmahnung ist trotz oder wegen der kommenden Maienzeit ungeschmälert.


Moses Pelham's Power Productions (Musiklabel 3P) wird der Musik-, Film- und Porno-Branche - nach dem vor dem OLG Frankfurt verlorenen Berufungsverfahren - mit den im Revisionsverfahren weiterverfolgten vermeintlichen urheberrechtlichen Ansprüchen eventuell den "Sommer ihres Lebens" bereiten (in leichter Abwandlung des betroffenen Musiktitels von Sebastian Hämer). Dann nämlich, wenn der 1. Zivilsenat (wegen eines während des Urlaubs des Anschlussinhabers nicht ausreichend verschlüsselten W-LAN-Netzwerkes und einer angeblich in dem Zusammenhang durch einen Dritten stattgefundenen illegalen Teilnahme an einer Musik-Tauschbörse) den Urlauber zum haftenden (Mit-)Störer erklärt. Dann wäre der Erholungswert jenes Urlaubs wohl dahin - schöner Mai hin oder her.


Argumente sind pro und contra zahlreich und z. T. auch vertieft ausgetauscht worden - selbstverständlich außerhalb von Tauschbörsen. Akademisch und dogmatisch lassen sich da ohne alle Frühlingsgefühle zahlreiche Gesichtspunkte und eine Menge juristischer Theorien heranziehen oder neu begründen. Verkehrssicherungspflichten (die nun wirklich nichts mit Frühlingsgefühlen zu tun haben), Halter-Haftungen (die nichts mit Mikrofonhaltern zu tun haben), Garantie-Haftungen ohne Garanten, verschuldensähnliche Bewertungen (bei denen jede Ähnlichkeit rein zufällig ist), Sphären-Theorien und -Klänge oder weitere störende Störer-Geräusche rauschen durch den maienhaften Blätter-Wald. 


Auf der anderen Seite - des Waldes - werden dem gegenüber Lieder von Waldeslust und Userfrust, von Piraten-Freiheit und offenen Netzen sowie von Schüler- und Rentner-Abzocke gesungen - möglichst ohne dabei die Urheberrechte anderen Liedgutes zu tangieren.

Wer wird letzlich im Regen - im Mairegen - stehen?


Wahrscheinlich ist es so, wie es häufig mit dem Wetter ist: Schwer vorherzusagen und hinterher stehen meistens alle etwas im Regen.


Besonders könnte das Urteil die erwähnten Heißpunkte bzw. Hotspots treffen .. und deren bisherige Nutzer. Da kann es schnell passieren, dass einem das "Halzband"-Urteil (I ZR 114/06) im Hals stecken bleibt; aber wem?


Bei Hotspots erleichtert m. E. wie so oft ein Blick in das Gesetz die Rechtsfindung

Das Telemediengesetz (TMG) regelt die Haftung eines Diensteanbieters im Telekommunikationsrecht. Als Diensteanbieter gilt gemäß § 2 TMG 

jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. 

Zu den Telemedien gehört unzwiefelhaft auch das Internet.
In § 8 Abs. 1 TMG heißt es dann:
 
Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie
 1.
die Übermittlung nicht veranlasst,
 2.
den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
 3.
die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Ein Hotspot-Betreiber ist grundsätzlich Diensteanbieter i. S. d. Telemediengesetzes, da er anderen seinen Internetzugang zur Verfügung stellt. Ob er dies gewerblich oder zu privaten Zwecken macht, ist für die Anwendung des TMG an dieser Stelle nicht relevant. Der Diensteanbieter haftet, wenn er anderen seinen Webzugang zur Verfügung stellt, nur dann, wenn er Kenntnis von den über seinen Anschluss begangenen Rechtsverstößen hat und nicht etwa generell und immer.

Nach § 7 Abs. 2 TMG besteht auch keine Pflicht des Hotspot-Betreibers, den Webzugang nach rechwidrigen Benutzungen zu untersuchen bzw. zu kontrollieren oder zu überwachen. Im Gesetz heißt es dazu:

Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

Wenn der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die gesetzlichen Vorgaben zur Haftungsbeschränkung derjenigen beachtet, die bewusst, gewollt und damit "schuldhaft" (vorsätzlich) Webzugänge für Dritte (seien es z. B. Kunden, Gäste oder Besucher) schaffen, muss er eigentlich im Erst-Recht-Schluss die Begrenzung der Haftung auch für Anschlussinhaber anwenden, die ohne entsprechenden Plan, ohne Vorsatz und unfreiwillig praktisch zum "Diensteanbieter" werden - egal ob von Dritten (ohne vorherige Kenntnis des Anschlussinhabers) Mai-Lieder, Rap-Songs oder Hardcore-Filme öffentlich beim Filesharing zugänglich gemacht wurden.

Die Instanzen-Gerichte und die meisten Anwälte (anders als z. B. die Kollegen Stadler und Euler) haben bisher das TMG praktisch links des Maiwaldes liegen lassen. Wir wollen hoffen, dass der BGH den Baum vor lauter Wald sieht und bei seinen Abwägungen die Wertungen des TMG-Gesetzgebers angemessen berücksichtigt.

Ein unbegrenzter Freibrief wird den Hotspots - und anderen Anschlussinhabern - ohnehin am 12. Mai 2010 nicht geschrieben werden: Nach Kenntnis, für die die Abmahner oder Kläger wohl in den meisten Fällen "sorgen", bleibt für den Hotspot-Betreiber - wie für jeden anderen Anschlussinhaber - "nichts wie vorher"; dann beginnen in jedem Fall Untersuchungs- und Überwachungspflichten. Dies wird nicht selten zur anschließenden Schließung des offenen W-LAN-Hotspots führen. Der (Mai-)Regen scheint mal wieder für alle sicher.


Dienstag, 20. April 2010

Landgericht stärkt Presse- und Meinungsfreiheit in Eilverfahren um Pressefoto von politischer Protest-Demonstration

Mit Beschluss vom 16.04.2010 hat das Landgericht Bielefeld in zwei Eilverfahren - 2 O 143/10 und 2 O 144/10 - die gegen eine Tagezeitung gerichteten Anträge von zwei seitens ihrer Eltern vertretenen Minderjährigen zurückgewiesen, die Veröffentlichung eines sie abbildenden Fotos zu verbieten.

Eine kleine Gruppe von Eltern hatte am Rosenmontag 2010 in der Gemeinde L. einen Karnevalsumzug dazu genutzt, unter dem Motto "Reisende" bzw. "Zugereiste in L. unerwünscht!" sich und ihre Kinder als "Flüchtlinge" mit in Frakturschrift beschriebenen Plakaten (mit den Worten "Zugereist" oder "Wohin?") sowie mit an die Verfolgung jüdischer Mitbürger erinnernden gelben Binden auszustaffieren und so der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Daraufhin wurde in einem Leserbrief massiv kritisiert, wie bei dem Umzug und der darin veranstalteten Protest-Demo einige Eltern ihre Kinder für politische Absichten benutzten. Zur Bebilderung dieser Kritik veröffentlichte die Tageszeitung eine ausschnittweise Abbildung des Umzugs, die im Vordergrund zwei entsprechend "ausstaffierte" Kinder zeigt.


Das Landgericht wies die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.

Zur Begründung stützt sich das Landgericht auf das aktuelle Urteil des BGH vom 06.10.2009, VI ZR 314/08, GRUR 2010, 173 ff., wonach das generelle Verbot einer Bildberichterstattung grundsätzlich nicht beansprucht werden kann, da eine in jedem Einzelfall vorzunehmende Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre auch jeweils eine Berücksichtigung verlangt, in welchem Kontext das Foto veröffentlicht wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich ergänzend auf das aktuelle Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.03.2010 - I-20 U 188/09 - zu heimlichen Ton- und Bild-Aufnahmen in einer Arzt-Praxis hinweisen; diese Entscheidung geht in eine ähnliche Richtung.

Das Landgericht Bielefeld verneinte im vorliegenden Fall bereits das Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Eine besondere Eilbedürftigkeit war nicht erkennbar. Es waren keine Anhaltspunkte für erneute Veröffentlichungen ersichtlich.

Ferner bewertete das Landgericht den Umstand, dass die Eltern ihre Kinder bewusst und gewollt "ausstaffiert" und der Öffentlichkeit präsentiert hatten, zu Recht als Einwilligung gemäß § 22 KUG.

Zudem stellte das Gericht - auch an dieser Stelle der Argumentation der Antragsgegnerin, des Zeitungsverlages, folgend - darauf ab, dass die minderjährigen Antragsteller von ihren die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich und die Kinder ziehenden Eltern gezielt in den Mittelpunkt öffentlicher Wahrnehmung gestellt worden waren und es sich damit auch um "sogenannte relative Personen der Zeitgeschichte" gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt.

Schließlich waren der Karnevalsumzug sowie die darin gleichzeitig erfolgende politische Protest-Demonstration als Aufzug und Versammlung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG einzuordnen. Es war insoweit legitim, einen repräsentativen Ausschnitt der streitgegenständlichen Veröffentlichungs-Thematik abzubilden.

Nach Abwägung aller Gesichtspunkte unter Einbeziehung der wohlverstandenen Schutzbedürfnisse von Kindern im Hinblick auf deren freie Persönlichkeitsentfaltung sah das Landgericht in überzeugender Weise hier keine Grundlage für eine Beschneidung der verfassungsrechtlich geschützten Meinungs- und Pressefreiheit.

Montag, 12. April 2010

Wer soll das bezahlen? Erstattung überhöhter Rechtsanwaltskosten bei Filesharing-Abmahnung

Es geht um's Geld. Im Musikgeschäft, in der Filmbranche und auch in der Abmahnungs-Industrie. Aber wie seriös, wie belastbar sind die Kostenerstattungs-Begehren in einer Vielzahl der kursierenden Filesharing-Abmahnungen?

Kostenerstattung kann derjenige beanspruchen, dem wegen berechtigter urheberrechtlicher Abmahnung Kosten entstanden sind, ersetzbar in bestimmter Höhe, maximal in Höhe der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren nach dem RVG. Voraussetzung für ein berechtigtes Verlangen nach Erstattung von Anwaltskosten ist deren tatsächliche Vereinbarung, In-Rechnung-Stellung durch den Rechtsanwalt und Zahlung durch den abmahnenden Rechteinhaber.

In vielen Fällen wird bereits zu prüfen sein, ob ggf. die für einfach gelagerte Erst-Abmahnungen gesetzlich geschaffene Kosten-Deckelung durch die 100 Euro-Bagatellgrenze des § 97 a Abs. 2 UrhG eingreift.

Auch über die z. T. in den Raum gestellten Streitwert-Höhen lässt sich trefflich streiten. Die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung tendiert in den vergangenen Monaten insoweit zu eher zurückhaltenderen Festsetzungen und verabschiedet sich von der schlichten "Multiplikations-Praxis" der vergangenen Jahre. Die demgegenüber in den Abmahnungen enthaltenen Streitwert-Phantasien entbehren nicht selten seriöser Substanz.

Es ist allerdings in zahlreichen Fällen noch viel zweifelhafter, ob zwischen dem abmahnenden, vermeintlichen Rechteinhaber und dem die Abmahnung versendenden Rechtsanwalt überhaupt eine anwaltliche Vergütung in der geltend gemachten Art und Höhe rechtsverbindlich vereinbart worden ist, ob die angeblichen Anwaltskosten in dieser Weise abgerechnet worden sind bzw. überhaupt abgerechnet werden sollen und ob die zur Erstattung aufgegebene oder angedrohte Zahlungsforderung vom Abmahner beglichen wurde oder zumindest beglichen wird.

Die aktuelle Rechtsprechung (z. B. Amtsgericht Frankfurt und Landgericht Köln) tendiert insoweit zu Recht zunehmend zu kritischer Hinterfragung der häufig von der Abmahnungs-Branche pauschal und ungenügend substantiierten Kostenerstattungsansprüche. Wie so oft gilt : Bange machen gilt nicht ... und Papier ist geduldig.

Wer kann glauben, dass bei der ungeheuren Masse von Abmahnungen einzelner Musik-Konzerne, Film-Produzenten oder Rechte-Verwerter diese Mandanten ihren Rechtsanwälten wirklich für jedes verschickte Abmahnungsformular die vollen gesetzlichen Gebühren zu dem im Abmahnungsschreiben bezifferten Streitwert vergüten? Probeberechnungen haben belegt, dass dann einige Abmahnungs-Unternehmen bereits vor einiger Zeit wegen immenser Anwaltskosten zahlungsunfähig gewesen wären.

Das Thema Kostenerstattung ist für die Abmahnungsbranche durchaus sensibel und diffzil, kann die Vorgabe überhöhter, fiktiver und nicht tatsächlich entstandener Kosten doch durchaus auch den Staatsanwalt interessieren. Zudem wäre die Aufdeckung im deutschen Recht für die hier betroffenen Abmahnungs-Fälle unzulässiger Vergütungsabreden - etwa in der Form eines Erfolgshonorars - auch standesrechtlich nicht ohne Konsequenzen.

Dies kann auch ein Grund dafür sein, dass viele abmahnende Rechtsanwälte mittlerweile zunehmend dazu übergehen, die Kostenerstattungsbeträge nicht mehr konkret zu beziffern, sondern lediglich mehr oder weniger nebulös in dramatisierender Höhe anzudeuten, um anschließend eine nicht näher aufgeschlüsselte, vermeintlich günstige Vergleichssumme zu nennen - zur "Erledigung" sämtlicher Schadensersatz-, Aufwendungsersatz- und Kostenerstattungsbeträge.

Bei der Abwehr von Filesharing-Abmahnungen gilt es folglich nicht nur, die angebliche Verletzung von Urheberrecht und behauptete Schadenshöhen und Lizenzen sowie eine etwaig modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu prüfen, sondern auch die anwaltlichen Kosten-Szenarien kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Samstag, 3. April 2010

Der Basta-Kanzler, die Fahrt in´s Blaue und ein Lehrstück zur Abwehrtaktik bei Abmahnungen - Tauschbörse inbegriffen

Der Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder, seines Zeichens selbst Volljurist, war stets ein entschiedener Macher und Macht-Mensch. Ihn in die Alkoholfahrt-Affäre der (Ex-)Bischöfin Margot Käßmann als potentiellen Beifahrer hineinzuziehen, musste eigentlich Konsequenzen nach sich ziehen. Die anwaltliche Abmahnung gegen den sich erdreistenden Blogger und Twitterer kam dann auch postwendend.

Der couragierte - sowie vielleicht auch grenzwertige und provokante - Umgang des Kollegen Rechtsanwalt und Blogger Joachim Nikolaus Steinhöfel mit dem medienrechtlichen Spannungsfeld zwischen Boulevard, öffentlichem Informationsinteresse und schützenswertem Persönlichkeitsrecht visualisiert ganz en "passant", wie wichtig auf der Klaviatur des Abmahnungsrechts neben materiell-rechtlichen Gesichtspunkten auch verfahrensrechtliche Weitsicht und prozesstaktische Finesse sind. Auch wenn damit der etwaige Ausgang des an der Medienfront aufgezogenen Streitfalles naturgemäß keineswegs gerichtsfest prognostiziert werden kann, zeigt der Fall doch recht anschaulich, dasss vor und nach einer Abmahnung knieweiches Bangemachen - z. B. vor einem allmächtigen "Basta" - nicht immer gilt, zumal wenn selbst bei materiellrechtlich offenen Fragen gleichzeitig für mehrere Beteiligte prozessuale Zwickmühlen und unangenehme Nebenkriegsschauplätze existieren.

Es darf und soll nicht Gegenstand dieses Beitrags sein, wessen verfahrenstaktische Achillesferse von wem im bischöflichlichen Beifahrer-Verfahren ausgenutzt oder verletzt wird. Jeder Empfänger einer vermeintlich starken und lauten Abmahnung lasse sich jedoch Mut machen - auch wenn es um starke Filme oder laute Musik und um deren "beifahrerischen" Tausch gehen sollte:

1. Der Absender einer Abmahnung und dessen zur Schau getragene Macht oder Stärke (egal ob Polit-Goliath oder Musik-Konzern) sagen für sich genommen noch nichts über tatsächliche Rechteinhaberschaft und prozessuale Substanz aus.

2. Bei anwaltlicher Prüfung und Strategie-Findung spielt nicht nur die vordergründige Anspruchsgrundlage, sondern spielen wenigstens ebenso weitere, evtl. "querlaufende" Interessen(-Konflikte) und Motivationshintergründe des Anspruchstellers, dessen wirkliche, oft verzwicktere Verfahrenslagen sowie  faktische Prozess-Bremsen nicht unwesentliche Rollen.

3. Rechtlich beherrscht der am besten den Streit, der nicht nur unter die Anspruchsgrundlage subsumiert, sondern zusätzlich umliegende Rechtsfelder strategisch einbezieht - also neben Medienrecht oder Urheberrecht beispielsweise auch Zivilprozessrecht, Strafprozessrecht, Verfassungsrecht, Datenschutzrecht, Kirchenrecht, Schadensrecht, Kostenrecht etc. berücksichtigt.

4. Und schließlich gilt immer wieder: Einen Fall über den juristischen Tellerrand hinaus zu betrachten und zu analysieren, schadet nie und hilft oft bei der berechtigten Wahrnehmung rechtlicher Interessen.